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Familie

"Unsere Kinder führen gerade ein Leben auf dem Wartegleis"

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Uelzen/Landkreis. Kaum Kontakt zu Freunden, kein Vereinssport, starke Einschränkungen bei schulischer Bildung und Freizeitgestaltung: Vor allem Kinder und Jugendliche sind von der Corona-Krise erheblich betroffen. Im UEN-Interview spricht die Kinder-und Jugendcoachin und RIT-Reflexintegrationstrainerin Susanne Schmieta-Rautmann über die derzeitigen Herausforderungen und gibt Tipps, wie Familien die Lage gemeinsam meistern können.

Frau Schmieta-Rautmann, was für Auswirkungen haben soziale Distanz und Home-Schooling auf Kinder und Jugendliche?

Die Auswirkungen sind sehr vielfältig. Tatsächlich hängt es auch sehr vom sozialen Umfeld ab. Ein sicheres, familiäres Umfeld hilft den Kindern und Jugendlichen, die Situation besser zu bewältigen. Im Moment fehlt den Kindern ein strukturierter Tag. Struktur als halt- und sinngebender Faktor ist für sehr viele Menschen wichtig für das persönliche Wohlbefinden. Home-Schooling stellt für viele Familien eine große Herausforderung dar. Ist ein PC vorhanden, gibt es eine vernünftige Internetverbindung? An den ersten Schultagen im Januar ist wegen des Home-Schoolings oft das Netz – etwa Iserv als oft genutzes Tool in Schulen –  zusammengebrochen. Reale Begegnungen sind nicht mit Online-Kontakten zu vergleichen. Der Mensch ist auf Körperkontakt ausgelegt. Und das fehlt gerade in der jetzigen Zeit.

Was für Erfahrungen haben Sie in der derzeitigen Situation im Umgang mit Kindern und Jugendlichen gemacht?

Die Kinder und Jugendlichen sind sehr verunsichert. Sie haben Angst, geliebte Menschen zu verlieren oder womöglich sogar der Grund zu sein, dass jemand im Familienkreis erkrankt. Ängste und gesundheitliche Probleme nehmen sehr stark zu. Auch haben viele Jugendliche Gewissensbisse, wenn sie sich Normalität wie feiern, Freunde treffen und so weiter wünschen. Dabei gehört das zu den Erfahrungen im jugendlichen Alter dazu. Sie vermissen Gesprächspartner außerhalb der eigenen vier Wände. Manches bespricht man einfach lieber mit Gleichaltrigen oder Außenstehenden – insbesondere, wenn es sich um Probleme zu Hause handelt.

Worunter leiden Kinder und Jugendliche in der Corona-Krise am meisten?

Ihnen fehlen die Kontakte zu Freunden, Vereinsaktivtäten wie Fußball, Schwimmen, Tanzen. Auch da haben sie wichtige Bezugspersonen. Kinder und Jugendliche müssen also gerade sehr viele Bedürfnisse unterdrücken und gerade die Kleinen können das nicht verstehen. Auch sie sind oft total überfordert mit der Situation und leiden unter der Einsamkeit.

Was für Auswirkungen kann das Social-Distancing haben?

Bereits im Kleinkindalter sind soziale Kontakte sehr wichtig. Kinder interagieren auf Augenhöhe, erlernen soziale Verhaltensweisen und auch Rücksichtnahme. Das alles kann gerade nicht oder nur eingeschränkt stattfinden. Laut einer Studie der Universitätsklinik in Hamburg nehmen psychische Auffälligkeiten bei Kinder und Jugendlichen drastisch zu. Der Wert stieg von 18 Prozent auf 31 Prozent. Psychosomatische Auffälligkeiten wie Kopfschmerzen, Einschlafprobleme, Gereiztheit und Niedergeschlagenheit nehmen stark zu. Dazu treten auch immer häufiger Ernährungsstörungen auf, da das Essen zu Hause immer verfügbar ist.

Leiden Jugendliche stärker als Kinder oder sind alle gleich betroffen?

Oft leiden Jugendliche stärker unter der Situation. Ein Kleinkind freut sich eventuell noch, wenn es Zeit zu Hause mit den Eltern und Geschwistern verbringen kann. Bei Jugendlichen ist dies anders. Das ist die Zeit, wo Freunde, Vereine und andere Kontakte wichtiger werden und eigentlich die erste Abnabelung vom Elternhaus geschieht. Partys, Ausgehen, Freunde treffen gehören in dieser Zeit zur Entwicklung einfach dazu. Außerdem verspüren die Kids Überforderung, Sorgen und Verunsicherung. Gerade, wenn sie kurz vorm Schulabschluss und im Übergang zur Ausbildung oder zum Studium sind. Praktika, Ausbildungsmessen und weitere Berufsorientierung findet kaum statt. Ständig wird diskutiert: Wann sind Abschlussprüfungen? Sind diese gleichwertig und bekomme ich meinen Ausbildungsplatz wirklich? Denken wir doch mal an unsere Jugendzeit zurück: Wie haben wir unseren 16. oder 18. Geburtstag gefeiert, den Führerschein oder den Abiball? Das alles sind Erinnerungen, die Kindern und Enkelkindern fehlen werden, die jetzt in diesem Lebensabschnitt sind. Unsere Kinder führen gerade ein Leben auf dem Wartegleis und wissen nicht, wann sich ihr Zug wieder in Bewegung setzt.

Was kann man als Erziehungsberechtigter tun, um die Situation erträglicher zu machen?

Die Kinder und Jugendlichen brauchen mehr als je zuvor den familiären Halt. Strukturieren Sie den Tag. Gleiche Zeiten für das Aufstehen und das Zubettgehen - auch für Jugendliche! Gemeinsame Mahlzeiten. Planen Sie Zeitfenster ein, wo Sie nur für die Kinder da sind. Parken Sie Ihr Kind nicht zu oft vor dem TV oder PC. Auch wenn Jugendliche und ältere Kinder nicht mehr so beinflussbar sind, ist es auch hier gut, feste Bildschirmzeiten zu vereinbaren. Gehen Sie so oft wie möglich mit den Kindern raus! Bei allem, was gerade um uns herum passiert, ist es immer wieder wichtig, sich auf das Gute und Positive zu konzentrieren!

Tipps: Schöne Rituale für die Familie

  • Das Glas mit Glück: Nehmen Sie ein leeres Glas (z. B. ein Weckglas oder Bonbonglas, das Sie mit ihren Kindern hübsch gestalten). Jeden Abend darf jedes Familienmitglied eine schöne Begebenheit des Tages oder ein positives Gefühl des Tages auf einen kleinen Zettel schreiben. Dieser wird dann im Glas mit Glück über das Jahr gesammelt. Und immer, wenn das Gefühl auftaucht, nichts Schönes, Positives passiert, kann man sich die Zettel aus dem Glücksglas zu Hilfe nehmen und sieht, wieviel positives Tag für Tag auch in der Corona Situation passiert ist. Das tut tatsächlich allen Familienmitgliedern gut.
  • Eine Alternative für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist es, das Tagebuch des Glücks zu schreiben. Auch daraus kann man ein tägliches Ritual machen: Man nimmt einfach ein schönes Heft und schreibt jeden Abend vorm Schlafengehen mindestens drei Dinge auf, die an diesem Tag gut gelaufen sind. Das können auch ganz banale Dinge sein: Was habe ich heute gut gemacht? Was waren meine heutigen Erfolge? Worüber habe ich mich besonders gefreut? Wem konnte ich heute eine Freude bereiten?

Susanne Schmieta-Rautmann ist Kinder-und Jugendcoachin und RIT-Reflexintegrationstrainerin. Außerdem arbeitet sie als Freiberuflerin für die Firma UP Consulting GmbH in Sachen Berufsorientierung in Schulen. Somit hat Schmieta-Rautmann Kontakte zu Kindern und Jugendlichen vom Vorschulalter bis hin zum Abitur und Studium. Seit Juni 2020 lebt sie wieder in ihrer Heimatstadt Uelzen und bietet hier auch Coachings an. Die Coachings finden momentan direkt beim Kind/Jugendlichen zu Hause statt. Gerne möchte sie Familien, Kindern und Jugendlichen auch in dieser herausfordernden Zeit zur Seite stehen und bietet deshalb ein kostenloses Erstgespräch per Telefon oder Videokonferenz an: 

Kontakt Susanne Schmieta-Rautmann: Telefon: 0175 2080031 - Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Foto: privat