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Kultur

„Corona“: Frank H. Nierath setzt sich eindrucksvoll literarisch mit der Pandemie auseinander

 |  Bildung und Kultur

Von Michael Michalzik

Uelzen. „Corona“ lautet der Titel schlicht. Doch Autor Frank H. Nierath entspinnt ein vielschichtiges literarisches Geflecht über eine Zeit, in der für uns nichts mehr war wie früher und die uns immer noch befangen hält. Ein fiktiver Roman mit der Pandemie als befremdlichem und doch irgendwann vertrautem Mittelpunkt ist entstanden, keines der vielen Sachbücher, die es inzwischen zum Thema gibt. Für Nierath eine selbst gestellte Herausforderung, das Thema belletristisch anzugehen – mit einem Werk, das für ihn zugleich ein historisches Dokument ist, spielt es doch vor allem in und um Uelzen: „Die Straßennamen, die Ortschaften, das ist alles echt. Uelzener werden sich sofort zurechtfinden“, erklärt der 60-Jährige im Gespräch mit den Uelzener Nachrichten. Ein Zeitdokument soll entstehen, mittels dessen man sich eines Tages an die dramatischen Situationen erinnern kann.

Nierath, im Hauptberuf Oberstudienrat an den Berufsbildenden Schulen I in Uelzen, hat sich von einer Vielzahl von Quellen inspirieren, auch autobiografische Erlebnisse einfließen lassen. Besonders betroffen gemacht hat ihn in der realen Pandemie die Situation der Schüler, die monatelang unter Isolation und Bildungsmangel litten. So lässt der Wrestedter in seinem Buch fast trotzig eine 12. Gymnasialklasse durch Deutschland reisen und viele gemeinsame Erlebnisse haben, die die Gruppe prägen werden. Doch der eigentliche Fokus liegt auf dem Schicksal einer Uelzener Großfamilie, die in der Zeit des härtesten Lockdowns mit Schicksalsschlägen und Todesfällen fertigwerden muss und dennoch nicht den Mut verliert. In einer Vielzahl feinsinnig geschriebener Episoden passiert, was manch einer von uns selbst mit ansehen musste: Einzelhandel, der sein Heil im Internethandel sucht, ein Hotel, dessen leere Flure die Besitzerin traurig durchstreift, die hochbetagte Großmutter, die an Einsamkeit in ihrem kleinen Zimmer im Seniorenwohnheim stirbt.

Nierath setzt auch auf schnelle Passagen – ein Bankraub bleibt nicht aus. Und auch die reale statistische Erkenntnis, dass Kindesmissbrauch sowie Gewalt in Familien während der Pandemie zugenommen haben, spielt eine Rolle. Nierath leidet mit seinen Charakteren. Als ein gerade noch kerngesunder junger Mann, ein Leistungssportler, an dem Virus stirbt, ihn die Mutter im Arm hält und mit ihrem toten Jungen redet, während das medizinische Personal emotionsfrei das Thema Organspende anspricht, weiß auch der Erzähler nicht mehr weiter und überlässt dem Leser die moralische Wertung. Ein dramaturgischer Kniff wie ein Ventil für Nierath, der selbst mitbekommen musste, wie einige seiner Schüler schwer an Corona erkrankten.

In „Corona“ wechselt der Wrestedter geschickt zwischen Humor und Tragik, gewinnt der Pandemie mitunter pragmatische Vorteile wie die Beschleunigung technischer Entwicklungen ab. Vor allem aber ist „Corona“ ein Appell an Vernunft und Menschlichkeit.

Abgeschlossen ist das Werk noch nicht: Zwei Bände der geplanten Trilogie sind bereits erschienen, die man mit den Suchbegriffen „Corona“ und „Nierath“ sofort auf Amazon findet und bestellen kann. Einfacher – und etwas günstiger – geht es, wenn man sich direkt an den Autor per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.wendet.

Im kommenden Jahr soll der dritte Band erscheinen: „Das Finale wird Wumms haben“, erklärt der Autor. Aber dafür braucht Nierath Zeit und die Ruhe seines Arbeitszimmers: „Nach der Schule schnell einige Zeilen schreiben, das geht gar nicht.“ In den Ferien, bei leiser klassischer Musik, das ist für Frank H. Nierath das Wohlfühl-Ambiente, das auch seine Familie respektiert. Mit dem Abschluss der „Corona“-Trologie ist die Schriftstellerei für den 60-Jährigen noch lange nicht erledigt: Er hat über einiger seines Schüler von dramatischen Fluchten aus dem umkämpften Syrien erfahren. Nicht das Leben als geflüchteter Mensch in Deutschland soll das zentrale Thema sein: „Ich will über den Weg hierher schreiben, die Gefahr und Gewalt, der die Menschen ausgesetzt sind, die diese Routen nehmen.“

Foto (Michalzik): Frank H. Nierath hat mit den „Corona“-Romanen eine beeindruckende literarische Auseinandersetzung mit der Pandemie geliefert.