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Medinger Mühle erhält neue Besitzer und damit eine neue Vision: „Autarkes Leben auf der Insel“

  • Subtitle: Bad Bevensen

Bad Bevensen. Nachdem im Jahr 2021 der Kauf der Medinger Mühle durch die Stadt Bad Bevensen im Kontext der damaligen Landesgartenschaubewerbung kurzfristig an neuen Mehrheiten im Stadtrat platzte, wurde es ruhig um das große Areal zwischen Ilmenau und Kloster.

Wie im Dornröschenschlaf stehen die Mühle und die unter Denkmalschutz stehenden dazugehörigen Wohn- und Speichergebäude am Ende der Mühlenstraße im historischen Dorfkern Medingen. Einzig das Surren und Rauschen der Mühle selbst macht auf sich aufmerksam.

Jetzt soll sich das kurzerhand ändern. Die Mühle erhält neue Besitzer, die in dem idyllischen Areal das Potenzial für mehr sehen.

Ende April ist der geplante Besitzübergang an die neuen Investoren Kai Boehnke und Anke Matthes, beides Unternehmensberater bei einem innovativen Beratungsunternehmen für Digitalisierung in Hamburg.

„Wir beschäftigen uns beruflich mit der Digitalisierung von Geschäftsmodellen, und in diesem Kontext auch mit dem wichtigen Thema Nachhaltigkeit. Beides unter einen Hut zu bringen und in den Kontext unserer aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu setzen, das waren die eigentlichen Gründe warum wir uns noch lange vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise auf die Suche nach einer Wassermühle gemacht haben. In Medingen haben wir mehr gefunden als eine in Betrieb stehende regenerative Energiequelle“, so Kai Boehnke, einer der beiden Investoren.

Durch Presseartikel im Internet sind die beiden künftigen Mühlenbesitzer auf das Objekt aufmerksam geworden.

„So ein großes Objekt ist durchaus komplex und herausfordernd. Es gibt einige Gebäude, die schon so stark verfallen sind, dass sie nur noch als Ruinen klassifiziert sind. Auch die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude sowie die Mühle selbst sind in schlechtem Zustand; seit Jahren gibt es undichte Dächer. Zudem steht das Quartier im FFH-Schutzgebiet und an der Ilmenau, die ebenfalls aufgrund ihrer Güte ein besonderes Gewässer in Niedersachsen darstellt.“ Nach zahlreichen Gesprächen mit der Stadt, dem Landkreis, sowie Landesbehörden zu Themen wie Denkmalschutzauflagen, Wasser- und Naturschutzrichtlinien und -regelungen sowie zahlreicher Konzepte hat das Paar sich nach 10 Monaten intensiver Validierung zum Kauf entschieden. Das Quartier Medinger Mühle erhält damit eine neue Chance.

Ausschlaggebend war hier bei aller wirtschaftlichen Betrachtung aber vor allem eins: Die fast durchgängige positive Resonanz bei den Gesprächen mit Politik und Verwaltung. „Wir haben sehr viel positive Rückmeldungen erhalten und sehr konstruktive Gespräche vor allem mit der Stadt geführt“, so Anke Matthes. „Auch die dort gewünschte Weiterentwicklung des Tourismuskonzeptes und eine hoffentlich zustande kommende erneute Bewerbung um die Landesgartenschau passen ideal zu unseren Ideen für den Standort.“

Unter dem Slogan „autarkes Leben auf der Insel“ möchten die Beiden der Insel und den Gebäuden zu neuer gesellschaftlicher Bedeutsamkeit verhelfen ohne damit die historische Bedeutsamkeit zu zerstören. Es soll ein Ort des Zusammenkommens und Lernens werden, gleichzeitig sind die Ökologie und der Naturschutz hoch priorisiert. Und trotzdem soll alles darangesetzt werden, die aus Sicht der Investoren so wertvolle und erhaltenswerte Wasserkraft im Kontext einer neu zu schaffenden Durchlässigkeit an der Ilmenau zu erhalten.

Aktuell produziert die Turbine über 500.000 Kilowattstunden Strom im Jahr, das reicht für 100-200 Haushalte in der Umgebung. Wasserenergie ist insbesondere auch in den Wintermonaten eine zuverlässige und konstante regenerative Energie. Politisch ist die Wasserkraft in Deutschland in den letzten 20 Jahren leider in den Hintergrund getreten. Völlig zu Unrecht finden die Investoren.

Konkret soll in einem mehrstufigen und mehrjährigen Konzept zunächst Wohn- und Gewerberaum entstehen und die notwendigen Maßnahmen zum Stopp des Verfalls kurzfristig angegangen werden. „Der Erhalt einer so großen historischen Mühle mit Nebengebäuden ist eine große Herausforderung und Verantwortung“, konstatiert Anke Matthes. „Wir planen hierfür auch die Gründung eines gemeinnützigen Vereins, um weitere Unterstützer zu finden und Fördergelder zweckgebunden für den lohnenswerten Erhalt der Mühle zu sammeln“.

Es sind darüber hinaus Ferienwohnungen geplant und auch eine neue Passierbarkeit für die Kanufahrer auf der Ilmenau. Bisher musste der Mühlenbereich weiträumig gemieden werden. Matthes: „Perspektivisch suchen wir auch Mitinvestoren, die mit uns ein Edutainment Center sowie Gastronomie und weitere Gewerbenutzung realisieren wollen. Auch wollen wir mit Wissenschaft und Lehre sowie der Ökologischen Station kooperieren und das weiträumige Gelände so auch der Öffentlichkeit zugänglich machen. Weiterhin könnte untersucht werden inwieweit die 11 riesigen Betonsilos zur Getreidespeicherung künftig einer neuen Nutzung, beispielsweise als innovativer Energiespeicher zugeführt werden kann.“ Auch die Frage, wie die Durchlässigkeit für Fische und Wirbellose mit technisch-digitalen Lösungen geschaffen werden kann, könnte die eine oder andere Studie der umliegenden Universitäten wert sein.

Bei allem werden die Schwerpunkte Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Fokus bleiben. Mit dem Slogan „autarkes Leben auf der Insel“ wird das deutlich. „Wir planen eine klimapositive Sanierung mit nachhaltigen Baustoffen wo möglich. Wir möchten die Wasserkraft für die Sommermonate mit Photovoltaik ergänzen und so zu 100 Prozent für das gesamte Quartier unabhängig von externer Energie sein.“

Und dass die beiden Investoren das nicht nur als Projekt, sondern als Herzensangelegenheit angehen, beweisen sie allein dadurch, dass sie auch ihren Lebensmittelpunkt dort selbst haben werden. „Wir wollen die Veränderung selbst leben, die wir uns für unsere Welt wünschen. Und so ein großes Projekt und die Wasserkraft bedarf natürlich der persönlichen Betreuung und Begleitung. Mit dem Job in Hamburg ist das auch dank eigener digitaler Plattformlösung unseres Unternehmens möglich.“ Und für die Fahrt ins Büro nutzen die Beiden dann künftig das Elektrofahrzeug – frisch geladen mit regenerativer Wasserkraftenergie.

Fotos: privat/Michalzik