Jahresrückblick, Teil 3: Urnengänge, Brandstifter und jede Menge Baustellen
Uelzen/Landkreis. Der dritte Teil des Uelzener Nachrichten Jahresrückblicks hat natürlich das wichtigste politische Thema des dritten Quartals zum Inhalt – die Kommunalwahlen, die diesmal unter Corona-Bedingungen stattfinden mussten. Aber auch sonst wurde es nicht wirklich langweilig in Stadt und Landkreis Uelzen.
Showdown: Am 12. September ging es endlich an die Wahlurnen, nachdem die politischen Vertreter in Stadt und Landkreis Uelzen einen Wahlkampf erlebt hatten, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hatte: Erst am Ende der heißen Phase ergab sich wieder die Gelegenheit zu Präsenzveranstaltungen. Zuvor hatte die Devise geheißen: online! Wer vor allem junge Wähler abholen wollte, konnte mit Print nicht mehr viel erreichen und musste sich digital auf den Weg machen. Bei den Uelzener Nachrichten erzielten vor allem die zahlreichen Kandidaten-Interviews hohe Klickzahlen. In den sozialen Medien waren Video-Diskussionen sehr beliebt, bei denen auch Landesvater Stephan Weil die SPD-Kandidaten vor Ort unterstützte. CDU-Bürgermeisterkandidatin Dr. Wiebke Köpp holte David McAllister in ihre Wähl-Bar. Der EU-Parlamentarier gab sich gewohnt unverblümt und schlug verbal wuchtig auf die AfD ein. Ein Guerilla-Coup gelang Bürgermeister Jürgen Markwardt, der auf ein Kino-Wahlvideo von Köpp unmittelbar einen eigenen Beitrag einspielen ließ, in dem er lakonisch bemerkte: „Habt ihr wirklich Bock, im Kino über Politik zu diskutieren?“
Der von SPD und Grünen unterstützte parteilose Bürgermeister fuhr einen so unaufgeregten Wahlkampf, dass manch Beobachter meinte, der Verwaltungschef interessiere sich gar nicht wirklich dafür. Zwar war er überall präsent – auf der Bühne des Kultursommers, abends in der Pizzaria, beim Sport an den Vitaltagen. Aber so kennen die Uelzener ihren Bürgermeister ohnehin. Und diese Kombination aus unaufgeregter Nahbarkeit verbunden mit dem Vertrauen in die Kompetenz des Amtsinhabers stach: Mit 67,3 Prozent der Stimmen überrollte Markwardt das Feld. Für eine zutiefst enttäuschte Wiebke Köpp („Ich bin mit meinen Themen nicht bei den Menschen durchgekommen“) blieben 24,3 Prozent. FDP-Mann Hubertus Hacke freute sich über 8,4 Prozent: „Dass so viele Menschen für mich gestimmt haben, macht mich stolz.“ Markwardt selbst tauchte nach der Wahl für einen ganzen Tag ins Private ab – um danach wieder seinen Amtsgeschäften nachzugehen, als sei nichts weiter gewesen.
Ebenfalls 67,3 Prozent: Der parteilose Kandidat Wolf-Dietrich Marwede setzte sich in einer Stichwahl als neuer Bürgermeister der Samtgemeinde Suderburg gegen Mitbewerber Stefan Kleuker (CDU) überdeutlich durch. Denkbar knapper wurde es in Bienenbüttel: Amtsinhaber Dr. Merlin Franke blieb Bürgermeister. Mit 53 Prozent der Stimmen. Gegenkandidat Fabian Huske will dranbleiben und in vier Jahren noch einmal versuchten, Franke vom Thron zu vertreiben.
Grundsätzliche Erkenntnis eines im Grunde verhaltenen Wahlkampfs: Sachthemen dominierten. Das für Redakteure stets ergiebige öffentliche Waschen von schmutziger Wäsche blieb aus, nachdem die Fronten bereits im Vorfeld geklärt waren (siehe gestrigen Rückblick 2. Quartal – Knaller bei der SPD). Lediglich die Grünen hatten wirklich Grund, sich zu echauffieren, nachdem Unbekannte kurz vorm Urnengang fast alle Plakate in den Ortsteilen gestohlen oder vandalisiert hatten.
Solche Bilder kannte man bislang nur aus fernen Ländern: Mit nie dagewesener Wucht brach sich die sonst friedliche Ahr Mitte Juli Schneisen durch Ort- und Landschaften. Mehr als 130 Menschen verloren in Schlamm und Wasser ihr Leben. Teils jahrhundertalte Stadtbilder wurden völlig zerstört. Hilfe für die Opfer kam rasch und aus allen Teilen der Bundesrepublik – auch aus Uelzen. THW, Johanniter Unfallhilfe und die DRK-Bereitschaft rückten aus und zeigten eindrucksvoll, was Katastrophenschutz in Deutschland bedeutet: Im Vorfeld sammelten sich die Retter an zentralen Stationen gemeinsam mit anderen Kräften aus der Region. Am Einsatzort angekommen, wurde unter anderem eine Zeltstadt für Tausende von Helfern aufgebaut und betrieben. Am meisten in Erinnerung blieben aber die schrecklichen Bilder in den Köpfen der Hilfskräfte: „Die Fernsehbilder können nicht annähernd zeigen, wie es hier wirklich aussieht“, so ein Uelzener. Bis an den Rand der Erschöpfung gingen die Einsätze, teils 20 Stunden am Stück und mehr in einer Landschaft aus Ruinen, zu Menschen, die auf einen Schlag alles verloren hatten und nun mit dem Grundnotwendigsten versorgt werden mussten.
Die Hilfsbereitschaft der Uelzener riss nicht ab: Unter anderem fuhren die Männer und Frauen der Truck Days Lüneburger Heide unermüdlich und wochenlang die gespendeten Hilfsgüter sowie Futter und Material für Bauernhöfe ins Katastrophengebiet.
Monatelang waren immer wieder Ballenmieten in Flammen aufgegangen – kreisweit und auch in Nachbarkreisen. Außerdem gab es zeitgleich eine Serie von Einbrüchen in Vereinsheime und Schulen. Von Essen bis zum Aufsitzmäher nahmen die Diebe alles mit, was sie zu fassen bekamen. Ende Juli war es damit vorbei: Die Polizei ermittelte eine Tätergruppe von jungen Erwachsenen sowie einen 40-Jährigen. Der von ihnen verursachte Schaden liegt bei weit mehr als 75.000 Euro.
Eine der brutalsten und unheimlichsten Attacken ereignete sich ebenfalls im Juli ausgerechnet im beschaulichen Lüder im Südkreis: Ein Mann wird mitten in der Nacht Zeuge, wie ein Unbekannter sich am Auto der Nachbarin zu schaffen macht und die Bremsleitungen zerschneidet. Als der Täter vom Zeugen angesprochen wird, reagiert der Vermummte mit brutalster Gewalt und schlägt dem Nachbarn immer wieder mit einem scharfkantigen Gegenstand ins Gesicht. Das Opfer erleidet so schwere Verletzungen, dass es in einer Spezialklinik mehrfach operiert werden muss. Nach kurzer Zeit ermittelt die Polizei den Täter. Sein Motiv für den Auto-Anschlag: Familienstreitigkeiten.
Mitte September ging es so richtig los: Uelzens Innenstadt bekam auf einen Schlag vier große Straßenbaustellen serviert – Kreisel und neuer Busbahnhof am Rathaus, Schillerstraße und Bahnhofstraße. Vor allem die Kaufmannschaft ärgerte sich. Es half nichts: Die Projekte waren an zeitliche Fenster gebunden, weil sonst erhebliche Fördergelder weggebrochen wären. Zur Ruhe kommen wird Uelzen verkehrstechnisch aber auf absehbare Zeit nicht: Die drei Eisenbahnbrücken müssen saniert werden. Unter anderem wird der Stern über Jahre hinweg von der Innenstadt abgehängt sein.
Lesen Sie morgen im abschließenden vierten Teil des Uelzener Nachrichten Jahresrückblicks: unter anderem: von Mühlen-Tricks und Weihnachtszauber light.
Foto (Michalzik): Im September ging am es Rathaus mit den Großbaustellen Kreisel und Busbahnhof so richtig los.