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Berlin-Tagebuch unserer Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (FDP): Intensive Sitzungswoche - wichtige Datentechnik

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Hallo Uelzen,

die letzten Monate des Jahres 2021 waren ein eher behutsames, in die Bundestagsabläufe hineinwachsen. Nun zeigt der Januar 2022 sofort, dass wir im Parlament auf Betriebstemperatur sind. Die Ausschüsse sind konstituiert, die Sitzungswochen terminiert, der Terminkalender voll. Wie voll fragen Sie sich vielleicht? Ich nehme Sie gerne mit durch meinen Wochenplan. Denn so oder so ähnlich wie in der ersten Januarwoche werden wohl die meisten der zukünftigen Sitzungswochen aussehen.

Am Montagmorgen ging es mit einer Boosterimpfung im Bundestag los. Perfekt organisiert, denn ab dieser Woche gilt im Bundestag eine neue Verfügung der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die neben einer Impfung einen täglichen Test verlangt, um an allen Sitzungen teilnehmen zu können. Die einzige Ausnahme davon sind geboosterte Personen.
Am Nachmittag hatte ich dann einen Termin mit dem zuständigen IT-Ansprechpartner für mein Abgeordnetenbüro in Berlin. Unter anderem musste mein Dienst-Smartphone eingerichtet werden. Wenig überraschend ist wahrscheinlich, dass das Handy inzwischen eines der wichtigsten Arbeitsgeräte einer Abgeordneten ist. Kommunikation, Daten und Intranet laufen hier zusammen. Auch der Fraktionsruf kann per App gesendet werden. Der Fraktionsruf ist eine Art Alarm, mit der alle Abgeordneten in den Plenarsaal gerufen werden können. Das passiert zum Beispiel dann, wenn eine wichtige Abstimmung ansteht und sichergestellt werden muss, dass wir in der Regierung die Mehrheit bilden. Im Anschluss habe ich den Wochenplan und alle aufgelaufenen Anfragen und Anliegen mit meiner Mitarbeiterin besprochen. Am Nachmittag fand dann noch ein digitales Treffen der Jungen Gruppe statt. Ein Zusammenschluss von Abgeordneten unter 40 Jahren innerhalb unserer Fraktion.

Am Dienstagmorgen startete der Tag um 8 Uhr mit einer Sitzung der Arbeitsgruppe Finanzen. Alle Fraktionsmitglieder aus dem Finanzausschuss, inklusive der Fachreferenten und der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten trafen sich hier u.a. mit Katja Hessel, der parlamentarischen Staatssekretärin des Finanzministeriums. Im Gegensatz zu einer Staatssekretärin, die eine reguläre Beamte ist, ist die parlamentarische Staatssekretärin eine Abgeordnete des Bundestages, die den Finanzminister in seinem Amt unterstützt. In der AG wird darüber diskutiert und beraten was unsere Positionen zu den Themen sind, die gerade auf der Agenda stehen und wie wir die Opposition argumentieren.
Anschließend tagte um 9:15 Uhr die Arbeitsgruppe für Arbeit und Soziales. Hier habe ich das erste Mal die Aufgabe bekommen in meiner Rolle als Berichterstatterin zu fungieren. Denn in den AG ́s wird unter anderem auch besprochen, welche Fachpolitiker:innen sich in den Ausschusssitzungen zu Wort melden. Für mich bedeutete dies, dass ich am Mittwoch das erste Mal ans Mikrofon treten durfte. Nämlich da, als die parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministers für Arbeit und Soziales den Rentenbericht der Regierung vorstellte. Meine Aufgabe war es Verständnisfragen und Fragen zu Hintergründen und Zukunftsaussichten zu stellen. Das macht man natürlich nicht aus dem Bauch heraus. Um gut vorbereitet zu sein, gab es für mich vorab knapp 150 Seiten Rentenbericht und den ergänzenden Bericht des Sozialbeirates zu lesen. Eine schöne „Feierabendlektüre“.
Um 11:00 Uhr stand dann ein Arbeitskreistreffen (AK) an. Ich bin im AK „Vorankommen durch eigene Leistung“ und im AK „Politik, die rechnen“ kann. In diesen Arbeitskreisen werden AG übergreifende Inhalte besprochen und thematisch zusammengefasst. Es geht vor allem darum, die Kolleg:innen auf dem Laufenden zu halten, damit sie den Debatten angemessen folgen können und öffentlich argumentieren können. Eine Stunde später tagte dann der Arbeitskreis „Politik, die rechnen kann“, in dem es thematisch um Haushalt und Finanzen geht.

Danach war dann ein wenig Zeit, um in meinem Büro auf Post zu reagieren oder Unterlagen zu bearbeiten, bevor es dann um 15:00 Uhr mit einer Fraktionssitzung weiter ging. Hier wurde neben der aktuellen politischen Lage noch besprochen, welche Fraktionsmitglieder in den Wahlprüfungsausschuss oder in andere Gremien entsendet werden sollen. Ich selbst wurde als stellvertretendes Mitglied in den Verwaltungsrat der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) entsandt.

Im Anschluss wurde uns, aufgrund vieler offener Fragen, noch einmal die Complianceregeln vorgestellt. Dabei geht es darum, innerhalb welcher Fristen Abgeordnete beispielsweise Nebeneinkünfte melden müssen oder Angaben dazu machen müssen was sie vor ihrer Tätigkeit im Bundestag gemacht haben oder wo sie ehrenamtlich engagiert sind oder waren.
Abgeordnete, die wie ich vorher selbstständig waren oder weiterhin sind, müssen laut dieser Regeln ihre Einnahmen melden. Diese Regeln gelten, um Interessenkonflikte und Abhängigkeiten zu vermeiden und offen und transparent aufzuzeigen.

Um 19:00 Uhr endete der Abend dann mit einem Treffen der Frauen der Fraktion. Hier haben wir Nicole Bauer zu unserer neuen Sprecherin gewählt. Dieser Zusammenschluss soll vor allem für mehr Aufmerksamkeit sorgen, um die wichtige Arbeit von uns Frauen in die Öffentlichkeit zu rücken. Es gibt viele, erfolgreiche und hervorragend qualifizierte Frauen in unserer Fraktion, die großartige Beispiele sein können für andere Frauen, sich ebenfalls politisch stark zu machen.

Am nächsten Tag, dem Mittwochmorgen ging es schon um 09:00 weiter mit zwei Ausschusssitzungen. Eine Herausforderung ist dabei für mich, dass die Sitzungen parallel tagen und wie beim letzten Mal bereits erwähnt, darf man sich in diesen Sitzungen nicht vertreten lassen. Also hieß es für mich Pendeln. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales konnte ich meine Fragen zum Bericht der gesetzlichen Rentenversicherung stellen und auf diesem Wege gleich die Berichterstatter der anderen Parteien kennen lernen. Wichtige Kontakte, wenn es später um die Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen geht. Parallel dazu hat meine bisher einzige Mitarbeiterin in Berlin als Zuhörerin an der Sitzung des Finanzausschusses teilgenommen und mich informiert, als es zur Abstimmung kam. Das Termine sich überschneiden wird in den nächsten Jahren öfter passieren, da heißt es dann gut vorbereitet zu sein, um schnell switchen zu können.

Um 13 Uhr begann dann die Regierungserklärungen des Kanzlers und anschließend der Minister:innen samt Aussprache. Spannende Einblicke in das, was uns in den nächsten vier Jahren an Regierungspolitik erwartet.

Spannend für Außenstehende ist bestimmt auch die Information, dass es in den Fraktionen einen so genannten Sitzungsdienst gibt. Neben den Fachpolitiker:innen muss immer eine gewisse Anzahl weiterer Abgeordneter im Plenarsaal sein, um die Mehrheit zu sichern. Ich war am Mittwoch ab 19:00 Uhr dran. Diese Zeit nutzt man nicht nur, um aufmerksam den Debatten zu folgen, sondern auch kleinere Arbeiten und Absprachen können über das oben erwähnte Smartphone erledigt werden. Vor allem dann, wenn gerade komplett fachfremde Themen auf der Tagesordnung stehen. Denn wie bereits im letzten Eintrag erklärt, findet die Hauptarbeit vorab in den Ausschüssen, AGs und AKs statt.
Vor dem Start meines Sitzungsdienstes habe ich noch ein Einstellungsgespräch geführt. Ab Februar wird mein Team nämlich durch wissenschaftliche Mitarbeiter verstärkt. Sie werden mich künftig inhaltlich in der Ausschussarbeit unterstützen. Ihre Aufgabe ist es Recherche zu meinen Berichterstatterthemen zu leisten, Sitzungen und Gremien mitvorzubereiten und Vermerke oder Pressemitteilungen zu verfassen. Kurzum sie müssen thematisch topfit sein, um bei Gesetzesvorhaben zu begleiten und mich fachlich zu unterstützen.

Ohne sie wäre das Pensum an Informationen, Fachwissen und Arbeit schlicht nicht zu erledigen. Recherchen, Gespräche mit Verbänden und Kollegen, die Beantwortung von Bürgeranfragen,

Terminvereinbarungen und noch viel mehr. Oft sind sie die wissenschaftlichen Mitarbeiter die stillen Helden der Parlamentsarbeit.

Am Donnerstag ging es weiter mit den Plenarsitzungen. Um 09:00 und 17:00 Uhr war für mich Sitzungsdienst, bis dann um 21:15 Uhr die Sitzung mit der letzten Abstimmung endete. Zwischendurch wurden E-Mails beantwortet, Fachgespräche vorbereitet und Impulsvorträge für anstehende Termine in der Folgewoche vorbereitet.

Am Freitag war dann unser Finanzminister, Christian Lindner, mit seiner Rede an der Reihe. Da war ich, als Mitglied im Finanzausschuss, unabhängig von einem Sitzungsdienst im Plenum, schließlich muss ich hier genau wissen in welche Richtung es in den kommenden vier Jahren geht. In meinen Augen eine wirklich kluge Einordnung der finanzpolitischen Lage. Erkenntnisse wie die, dass Wohlstand erst erarbeitet werden muss, bevor man ihn verteilt, mögen nicht neu sein. Aber leider werden sie viel zu oft vergessen und es ist gut jemanden an der Spitze dieses Ressorts zu wissen, der solche fundamentalen Grundsätze im Auge behält. Erfrischend in meinen Augen auch, dass der Fokus seit gefühlten Ewigkeiten nicht nur auf das Geld ausgeben gelegt wird, sondern auch darauf, wo der Staat unnötige Ausgaben vermeiden kann. Ich sehe es als Zeichen des Respekts und der Wertschätzung vor den Bürger:innen deren Steuergelder wir verwalten, dass wir achtsam mit diesem Geld umgehen und genau prüfen, wo Ausgaben vermieden werden können.
Dieser Tagebucheintrag kam Ihnen ungewöhnlich lang und voll vor? Dann habe ich es geschafft einen guten Eindruck der Woche zu vermitteln. Aber zur Wahrheit gehört auch, ich kann mir gerade keine schönere Beschäftigung vorstellen. Es ist nach wie vor ein großes Privileg und ich freue mich jetzt schon auf die nächste Woche.
Wir hören uns, bis bald.