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Landkreis Uelzen

Dienstag im Kreistag beschlossen: Uelzener Erklärung zum Wolf 

 |  Landkreis

Uelzen/Landkreis. Der Uelzener Kreistag hat Dienstag eine Resolution zum Thema Wolf beschlossen. Über vorhergehende Anträge der Gruppe CDU-UWG-FDP (kompletter Abschuss des für den Schafsriss bei Holxen verantwortlichen Rudels) sowie der „AfD"(unverzüglicher Beginn der Bejagung) wurde nicht abgestimmt, stattdessen stimmte das Gremium mit einer Enthaltung für folgenden, von Verwaltung und Kreisausschuss vorbereiteten Entwurf:

  1. Die Europäische Kommission wird aufgefordert,

unverzüglich den Schutzstatus der Tierart Wolf (canis lupus) auf dem Gebiet des Bundeslandes Niedersachsen in der Bundesrepublik Deutschland zu überprüfen und für den Fall, dass sie zu dem Ergebnis gelangt, dass der Wolf in Niedersachsen keine gefährdete Art mehr ist und somit den strengen Schutz durch Listung im Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) nicht mehr benötigt, sondern bezogen auf das Gebiet des Landes Niedersachsen dem Anhang V der FFH-Richtlinie zugeordnet werden sollte, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat eine entsprechende Änderung der FFH-Richtlinie vorzuschlagen.

  1. Die Bundesregierung wird aufgefordert,
  2. die Europäische Kommission zur sofortigen Überprüfung des Schutzstatus' der Tierart Wolf auf dem Gebeit des Bundeslandes Niedersachsen in der Bundesrepublik Deutschland (Zifffer I.) zu drängen,
  3. unverzüglich nach einer Herausnahme des Wolfes aus der Liste der streng zu schützenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse(Anhang IV der FFH-Richtlinie) die naturschutz- und jagdrechtlichen Bundesgesetze so zu ändern, dass
  4. a) eine regelhafte Bejagung des Wolfs auf Grundlage eines pro Landkreis festzusetzenden Abschussplans in den Monaten, in denen die Welpen nicht zwingend auf ihre laktierende Fähe angewiesen sind, (Jagdzeit),
  5. b) und in den übrigen Monaten des Jahres die Entnahme von sog. Problemwölfen und -rudeln zum Schutz insbesondere von Weidetieren oder Menschen durch die unteren Naturschzutbehörden zügig sowie ptaktikabel, insbesodnere ohne großen Verwaltungsaufwand, ermöglicht wird.  
  6. Die Niedersächsische Landesregierung wird aufgefordert,
  7. die Bundesregierung aufzufordern, die Europäische Kommission zur unverzüglichen Überprüfung nach Ziffer I. zu drängen,
  8. die Bundesregierung aufzufordern, zu gegebener Zeit unverzüglich die unter Ziffer II.2. genannten Änderungen der naturschutz- und jagdrechtlichen Bundesgesetze vorzunehmen,
  9. unverzüglich notwendige landesrechtliche Änderungen vorzunehmen, sobald der Bund die unter Ziffer II.2. genannten Änderungen der naturschutz- und jagdrechtlichen Bundesgesetze vorgenommen hat, insbesondere für den Wolf in der Verordnung zur Durchführung des Niedersächsischen Jagdgesetzes (DVO-NJagdG) eine Jagdzeit für die regelhafte Bejagung vorzusehen.

Begründung:

Im Jahr 2017 beschloss der Kreistag eine Resolution zum Wolf - als erster Landkreis Niedersachsens. Unter anderem wurde gefordert: „über eine Bundesratsinitiative prüfen zu lassen, ob die niedersächsischen Wölfe Teil einer Wolfspopulation mit günstigem Erhaltungszustand sind“, und weiter: „… mit dem Ziel, den Wolf vom Anhang IV in den Anhang V der FFH-Richtlinie abzustufen, um ein wirksames Bestandsmanagement zu ermöglichen.“

Zwischenzeitlich prüft der Landkreis Uelzen fortlaufend, ob die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zur Entnahme von Wölfen rechtlich möglich ist. Die gegenwärtige Rechtslage lässt eine Entnahme von Wölfen mittels Erteilung einer Ausnahmegenehmigung aufgrund der sehr strengen Voraussetzungen meist gar nicht zu, im Übrigen nur unter unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand, der im Einzelfall Monate in Anspruch nimmt.

Im Einzelnen:

Grundlage für eine Ausnahmegenehmigung ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das die FFH-Richtlinie der Europäischen Union umsetzt. Die FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen) geht aktuell davon aus, dass die Tierart Wolf in Niedersachsen eine in ihrem Bestand gefährdete Art ist und stellt sie deshalb unter den strengen Schutz des Anhangs IV der FFH-Richtlinie. Daher sieht das BNatSchG eine Entnahmemöglichkeit nur im Ausnahmefall unter sehr engen Voraussetzungen vor. Die FFH-Richtlinie unterscheidet zwischen streng geschützten Arten (Anhang IV) und geschützten Arten (Anhang V). Die Tierart Wolf ist nicht in der gesamten EU eine streng geschützte Art, sondern für einige Landstriche in der EU gilt sie nur als geschützte Art und ist insoweit in Anhang V aufgeführt. Für Arten aus dem Anhang V ist gem. Artikel 14 der FFH-Richtlinie grundsätzlich eine Entnahme zulässig, wobei die Mitgliedsstaaten notwendige Maßnahmen zu treffen haben, damit die Entnahmen mit der Aufrechterhaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Art vereinbar sind. Wenn also in Abänderung der Anhänge IV und V der FFH-Richtlinie auf EU-Ebene festgestellt würde, dass die Tierart Wolf auf dem Gebiet des Landes Niedersachsen eine geschützte Art ist und im Anhang V erfasst wird, ist auf Bundesebene die Änderung des BNatSchG möglich, was den Weg zur kontrollierten Entnahme von Wölfen ohne Erfordernis einer Ausnahmegenehmigung eröffnen würde.

Nach Überzeugung des Kreistages wird eine Überprüfung ergeben, dass der Wolf in Niedersachsen (und Deutschland) keine gefährdete Art mehr ist und somit den strengen Schutz des Anhanges IV der FFH-Richtlinie nicht mehr benötigt, sondern bezogen auf das Gebiet des Landes Niedersachsen dem Anhang V der FFH-Richtlinie zuzuordnen ist, mithin seine Entnahme aus der Natur Gegenstand der deutschen Gesetzgebung sein kann.

Der Umfang der Wolfspopulation in Niedersachsen ist seit der ersten Sichtung von Wölfen 2011/2012 kontinuierlich angestiegen. Dies betrifft auch den Landkreis Uelzen. Seit mehreren Jahren leiden insbesondere die Nutztierhalter im Landkreis Uelzen massiv unter Nutztierrissen durch Wölfe. Auch die übrige Bevölkerung, insbesondere außerhalb der Städte ist zunehmend durch Wolfssichtungen in besiedelten Bereichen und deren Nahbereichen verunsichert. Während es 2015 nur sechs Rudel im gesamten Land Niedersachsen gab, gibt es gemäß dem Bericht der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. zum Wolfsmonitoring im vierten Quartal 2022 in Niedersachsen 44 Rudel, ein Wolfspaar und vier residente Einzelwölfe. Auf dem Gebiet des Landkreises Uelzen sind davon sechs Rudel aktiv, nämlich die Rudel mit der Bezeichnung Bad Bodenteich (BAD), Ebstorf (EB), Eschede/Rheinll (ES), Göhrde (GOE), Munster (MU), Uelzen (UEZ). Gemäß der vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz in Auftrag gegebenen und im Juli 2022 veröffentlichten Wolfspopulationsstudie des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft (IWJ) der Universität Wien gefährdet eine kontrollierte Entnahme von Wölfen den Bestand in Niedersachsen und in Deutschland nicht.

Wegen der erhöhten Wolfsdichte ist eine Akzeptanz der Tierart insbesondere im ländlichen Raum nicht mehr gegeben. Die ökologisch gewollte Weidetierhaltung ist in der Lüneburger Heide gefährdet. Übergriffe auf Weidetiere trotz Einhaltens des Grundschutzes belasten die Weidetierhalter extrem – wirtschaftlich wie emotional. Ein von einem Wolf verletzter Hund musste eingeschläfert werden. Die zahlreichen, auch ortsnahen Übergriffe und die häufig fehlende Scheu der Wölfe gegenüber Siedlungen und Menschen beunruhigt immer größere Teile der Bevölkerung.

Um dem zu begegnen, ist es erforderlich, den Wolfsbestand durch eine regelhafte Bejagung (Ziffer II.2. lit. a) managen zu können, bis hin zu einer regionalen Absenkung der Bestände. Diese regelhafte Bejagung ist auch erforderlich, um dem Wolf eine Scheu vor dem Menschen zu vermitteln. Es geht ausdrücklich nicht darum, den Erhaltungszustand zu gefährden. Zudem muss (Ziffer II.2. lit. b) im Hinblick auf Problemwölfe eine anwendungsfähige Regelung geschaffen werden. Die jetzigen Bestimmungen im Bundesnaturschutzgesetz mit ihrer sehr hohen Regelungsdichte sind praxisuntauglich.  

Screenshot („Ebstorf frei Schnauze“, Facebook): Durch Ebstorf lief vorige Woche ein Wolf.