Geothermie ist erst der Anfang: Wie Bad Bevensen energetisch autark werden will
- Subtitle: Bad Bevensen
Von Michael Michalzik
Bad Bevensen. „Das wäre unser Beitrag zur Energiewende – ein autarker Kurort Bad Bevensen“, hält Stadtdirektor Martin Feller fest. Bald Bevensen steht vor einem ganz großen Wurf. Wenn eine millionenschwere Probebohrung Erfolg hat, sollen zunächst alle großen Gebäude des Kurorts über Geothermie mit Wärme versorgt werden. Und das wäre erst der Anfang.
Bad Bevensen verfügt über einen wichtigen Standortvorteil mitten im norddeutschen Becken: Tief unter der Stadt liegt eine riesige Sole-Schicht. Das Salz, das das benachbarte Lüneburg im Mittelalter reich gemacht hat, macht das Nass der Jod-Sole-Therme zu Heilwasser. Doch darüber hinaus gibt es noch eine weitere Nutzungsmöglichkeit, die eine gewaltige Chance für den Kurort birgt.
Tiefenbohrungen ergeben, dass es immer wärmer wird, je weiter man in Richtung Erdmittelpunkt vordringt. In 100 Metern Tiefe sind 10 Grad plus die Regel. Bei 300 Metern erreicht die Temperatur bis zu 20 Grad. Wer allerdings mehrere Tausend Meter tief bohrt, stößt in Temperaturbereiche vor, die ausreichen, um selbst große Gebäudekomplexe beheizen zu können. Und hier kommt die Salzlösung, die Sole, ins Spiel: Die Flüssigkeit kann durch ihre Struktur heißer werden als normales Wasser, bis zu 110 Grad.
In Bad Bevensen wird darüber seit langer Zeit nachgedacht. Feller: „1964 fand die erste Erdbohrung statt, in der Nähe des Schweizer Hofs.“ Dabei wurde die erste Sole-Quelle registriert. Eine weitere Bohrung ging bis in 700 Meter Tiefe. 2006 reifte erstmals ein Plan, Geothermie aus der Tiefe als Wärmequelle zu nutzen. 2009 gab es eine Vorstudie. Das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2014 – vom Land gefördert – ergab: Grundsätzlich ist es möglich, in Bad Bevensen Energie in nennenswertem Maße aus der Tiefe zu fördern.
Stadtdirektor Feller: „Dabei wäre es möglich, sehr früh eine Wirtschaftlichkeit zu erreichen.“ Denn zunächst könnten die großen Gebäude mit Heizungswärme aus der Tiefe versorgt werden: beide Kliniken, die Jod-Sole-Therme, Grundschule, Gesamtschule und Rathaus. Eine entsprechende Energiegesellschaft könnte anfangs wegen der überschaubaren Zahl der Gebäude sehr schlank agieren: „Es wären zunächst nur der Landkreis, die Kliniken und die Stadt Bad Bevensen im Boot.“
Was bleibt, ist derzeit ein Restrisiko. Nur eine Probebohrung kann Klarheit darüber verschaffen, ob in der Tiefe genügend Solewasser vorhanden ist. Allerdings belaufen sich die Kosten für eine solche Bohrung auf gut 10 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der aktuelle Haushalt der Stadt Bad Bevensen beläuft sich auf 14 Millionen Euro. Bis vor einigen Jahren gab es Spezialversicherer, die das Risiko einer erfolglosen Probebohrung absicherten. Aber nach einigen Misserfolgen in Süddeutschland findet sich kein Versicherer mehr, der das Risiko übernimmt.
Glücklicherweise nahm sich Dr. Matthias Miersch, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Umweltexperte, 2021 des Themas an, als er sich bundesweit über energetische Konzepte informierte, die die Energiewende voranbringen könnten: „Wir kamen in einer Videokonferenz überein, dass doch etwas zu machen sein muss“, so Feller. Miersch machte sich für ein niederländisches Modell stark, nachdem die Regierung mit einem Zuschuss unterstützt, und trat an das Niedersächsische Umweltministerium heran. Die Idee eines rückzahlbaren Zuschusses kam auf. Inzwischen liegt eine mündliche Zusage des Ministeriums vor, 9 der 10 Millionen Euro in Form eines solchen Zuschusses zu übernehmen. Feller: „Wir warten jetzt auf das Signal aus Hannover für den Zuwendungsbescheid.“
Auch wenn demnächst die Finanzen geregelt sind: In Bad Bevensen wird nicht mit einem Schnellschuss gerechnet. Insgesamt würde die Einrichtung der geothermischen Energienutzung bis zu 23 Millionen Euro kosten. Denn die Bohrung in der Nähe des Herz-Gefäß-Zentrums würde in eine Tiefe von 3.300 Metern führen. Mit 110 Grad wäre das Solewasser dort so heiß, dass man theoretisch sogar mit dem Dampf Strom erzeugen könnte. Aber so weit soll es im ersten Schritt nicht gehen. Denn diese Technik ist teuer und potenziell anfällig: Das extrem salzhaltige Wasser ist ein Cocktail aus verschiedensten gelösten Mineralien und greift sowohl Leitungen als auch Pumpen an.
Deswegen soll es zunächst um die thermische Nutzung gehen. Doch das wird nur der erste Schritt sein. Feller: „Später könnte eine GmbH gegründet werden, die die Nutzung erneuerbarer Energien zum Zweck hat, dazu würden dann auch Windkraft und Photovoltaik gehören.“ Und eben auch die Geothermie. Wenn die Finanzierung steht, könnte die Probebohrung 2024 erfolgen, eine energetische Nutzung ab 2026.
Fotos: Adobe Stock, Samtgemeinde Bevensen/Ebstorf