
Der Nationalsozialismus und seine Spuren vor Ort - Einblicke in Bad Bevenser Geschichte: Schülerinnen und Schüler der KGS diskutieren im Griepe-Haus
- Subtitle: Bad Bevensen
Bad Bevensen. In welchem Alter sollten Schülerinnen und Schüler den Nationalsozialismus und den zweiten Weltkrieg im Unterricht behandeln? Diese Frage diskutieren Lehrer, Schülerinnen und Schüler zweier Seminarfächer der Oberstufe der Fritz-Reuter-Schule aus dem Bereich der Geschichte und Gesellschaftskunde, nachdem sie in der Bibliothek im Griepe-Haus als außerschulischen Lernort spannende Einblicke in eben diese Zeit von Historikerin und Provenienzforscherin Anneke de Rudder bekommen haben. Nicht zu früh, aber auch nicht nur ein Halbjahr – da sind sich alle halbwegs einig. Was sie vor ihrer Diskussion zu hören bekommen, ist lebendige Geschichte in der Stadt Bad Bevensen und Umgebung. Geschichte und Geschichten von Personen, die dafür gesorgt haben, dass der Nationalsozialismus in der Kurstadt auf eine breite Basis gestellt werden konnte.
De Rudder versteht es, konkrete Bilder im Kopf entstehen zu lassen. April 1945: Die britischen Soldaten rücken an. Im Bevenser Rathaus werden Akten aus den Fenstern in den Hinterhof geworfen und verbrannt. "Spuren verwischen" lautet das Motto der letzten Kriegstage. Was bis heute allerdings erhalten bleibt, ist die Schulchronik. Die Chronik des Gebäudes, in dem sich heute das Rathaus befindet, ist mehr oder weniger die Vorgängerschule der heutigen KGS. Diese Aufzeichnungen haben es in sich, schließlich ist der damalige Schulleiter Hass glühender Nationalsozialist. Entsprechend wählt er die Lehrkräfte aus. Und er sorgt dafür, dass nahezu alle Schüler der damaligen Mittelschule in die Hitlerjugend eintreten. „Schuljugend geschlossen in der Hitlerjugend“ titelt dann auch die damals gleichgeschaltete Allgemeine Zeitung. „168 der 170 Schüler waren in der Hitlerjugend. Das zeigt aber auch, dass es zwei mutige Menschen gab, die sich dem widersetzt haben“, sagt Anneke de Rudder. Sie hält es für wichtig, dass die Geschichte vor Ort erlebt wird, dadurch wird es für die Schülerinnen und Schüler wesentlich konkreter und weniger abstrakt.
Die Muster und Abläufe aus der Historie können ohne Weiteres auf die heutige Zeit übertragen werden. Gerade auf den Social-Media-Kanälen lässt sich das Schüren der Angst gut beobachten. „Und dann werden von politischen Gruppe vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme aufgezeigt“, sagt de Rudder, „so war es damals auch.“ Die Schuldigen im Nationalsozialismus waren zu allererst die Juden. Antisemitische Verschwörungsmythen waren wesentlicher Bestandteil der Rassenpolitik der Nationalsozialisten. 64 Prozent erreicht die NSDAP bei den Wahlen in Bad Bevensen – mehr als im Kreis Uelzen und mehr als deutschlandweit. Und dass, obwohl seit dem 19. Jahrhundert keine Juden mehr in Bevensen leben.
Neben dem Schulleiter Hass tauchen weitere Namen auf, die im Kurort dem Nationalsozialismus den Weg geebnet haben. Der erste Gauleiter des „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes“ im Landkreis Uelzen ist 1920 der Bevenser Arzt Dr. Carl Sinn. Sein Mitarbeiter Ernst Brändel wird später Kreisleiter der NSDAP in Uelzen. Bürgermeister Gustav Möller ist bereits 1933 in die NSDAP eingetreten. Ziemlich verblüfft sind die Schülerinnen und Schüler über den Werdegang des Bürgermeisters Hermann Meyer, der für die SPD 1963 sogar in den Niedersächsischen Landtag einzieht und bis 1988 Bundesvorsitzender des Reichsbundes wird. Erst am Ende seiner Laufbahn stolpert er über die Recherche des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Darin wird deutschlandweit öffentlich, was in Bad Bevensen jahrzehntelang ein offenes Geheimnis ist: dass er Mitglied der NSDAP und der Waffen-SS war. Sein Portrait hängt noch in der Ahnengalerie der Bürgermeister, alle anderen Erinnerungsstücke wurden jedoch nach weiteren Enthüllungen über Meyer 2012 aus dem Rathaus entfernt.
Foto: Samtgemeinde Bevensen-Ebstorf