„Ehrenamt macht glücklich – auch das Ehrenamt in der Kommunalpolitik“
- Subtitle: Uelzen
Uelzen. Joachim Delekat, Sprecher der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) für den Stadtbereich Uelzen, geht im Wahlbereich 1 Ost als Spitzenkandidat ins Rennen. Im Interview mit den Uelzener Nachrichten spricht er über die Erfahrungen seiner politischen Arbeit in den vergangenen zehn Jahren sowie die anstehenden Herausforderungen und Aufgaben für die kommende Legislaturperiode.
Herr Delekat, was ist Ihre Motivation, in der Kommunalpolitik aktiv zu sein?
Joachim Delekat: Geprägt durch mein Elternhaus – mein Vater hatte eine kleine Spedition in Uelzen,und als Selbständiger auch viele Erlebnisse mit der deutschen Bürokratie – bekam ich früh mit, dass staatliches Handeln immer einer Kontrolle bedarf. Gerade die Regelungen und Entscheidungen vor Ort in einer Gemeinde haben unmittelbare Auswirkungen auf die Bürger und Bürgerinnen. Die Frage, ob eine Grundschule geschlossen wird oder nicht, hat für die betroffenen Eltern erhebliche Folgen. Die kommunale Selbstverwaltung hat sogar Verfassungsrang gem. Art. 28 Grundgesetz und ist durch die EU-Charta seit 1987 rechtlich fest in vielen Ländern der Europäischen Union fundamentiert. In Deutschland gibt bereits seit 1808 infolge der Industrialisierung und der Entwicklung des Bürgertums die Preußische Städteordnung mit erheblichem Mitspracherecht der Bürger einer Gemeinde. Zudem ist das Wahlrecht ein hohes Gut, dazu genügt ein weltweiter Blick über den Tellerrand. Letztendlich macht es auch Spaß, sich sachlich über Anträge und Entscheidungen zu streiten und trotzdem den Andersdenkenden und seine Meinung zu respektieren.
Was unterscheidet eine Wählergemeinschaft von einer Partei ?
Joachim Delekat: Wir haben weder eine Ideologie, noch einen Partei- oder Fraktionszwang. Die gewählten Mandatsträger entscheiden rein nach Wissen und Gewissen, so sieht es übrigens auch das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz vor, das sogenannte freie Mandat. Wir zahlen auch keine Gelder für höhere Organisationen. Nur Mandatsträger zahlen 12 € Mitgliedsbeitrag im Jahr, den Löwenanteil der erforderlichen Gelder ergibt sich aus Spenden. Die erfolgreiche Statistik gibt uns Recht: Wir hatten auf Kreisebene 2001 nur 3,25 Prozent, aber 2016 bereits 8,87 Prozent der Stimmen und dementsprechend auch mehr Mitglieder.
Gab es einschneidende Erlebnisse in Ihrer Ratstätigkeit ?
Joachim Delekat: Ja, da fallen mir zwei Ereignisse ein. Im Jahr 2011 schloss ich als gewähltes Ratsmitglied der UWG nach langen Sondierungsverhandlungen eine Koalition mit der CDU und den Grünen. Grund war, dass sich mit diesen Parteien und der UWG die meisten gemeinsamen Schnittmengen ergaben. Im Jahr 2014 gab es zum Thema Radweg Gr.Liedern-Lehmke unterschiedliche Meinungen. Das führte dann zum Bruch der Koalition. Das Jahr 2016 war auch persönlich sehr interessant für mich, da der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD, Ralf Munstermann, und SPD-Ratsherr Herwig Maaß zur UWG wechselten. Die hiesige Zeitung schrieb damals ‚Erdbeben in Uelzens SPD, zwei Urgesteine wechseln zur UWG‘. Beide habe ich nicht aggressiv abgeworben, und man kann auch nicht von einer feindlichen Übernahme sprechen. Gleichwohl kündigte die SPD die seit 2014 bestehende Koalition mit der UWG. Mittlerweile haben sich mit dem ehemaligen SPD-Kreistags-Fraktionsvorsitzenden Andreas Dobslaw sowie den ehemaligen SPD- Kreistagsabgeordneten Andreas Bersiel und Peter Hallier noch weitere erfahrene Kommunalpolitiker der UWG angeschlossen. Wir freuen uns ohne Häme für die Bereicherung und auf die Zusammenarbeit auch mit diesen Kollegen.
Was haben Sie als UWG erreicht, beziehungsweise beantragt ?
Joachim Delekat: In Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen und der Verwaltung haben wir den Entschuldungsvertrag, beziehungsweise Zukunftsvertrag mit dem Land Niedersachsen erreicht, was uns wieder Handlungsspielräume auf der Aufgabenseite einräumt. Die Schulschließungen Molzen und Veerßen konnten wir in Zusammenarbeit mit CDU und Grünen verhindern. Wir haben nach einer grundlegenden Reform der Wirtschaftsförderungsgesellschaft ein neues und modernes Stadtmarketing mitentwickelt. Aufgrund unseres UWG-Antrages sind die Marktstraßen für das Wochenende von Mai bis Oktober gesperrt, das bedeutet weniger Lärm und Abgase in der Innenstadt. Zudem gibt es mehr Raum für kulturelle Angebote, die auch schon stattfinden. Im Anschluss schauen wir uns die Ergebnisse an, und der neu gewählte Rat wird dann entscheiden, wie es mit der Verkehrsberuhigung weitergeht. Ferner haben wir einen Antrag zur Stadtentwicklung mit dem Schwerpunkt Neubaugebiete in der Kernstadt, also alles, was nicht Ortsteile sind, bereits im Dezember 2020 gestellt. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf, denn die Nachfrage gerade junger Familien ist vorhanden und steigt, das zeigt sich beispielsweise an der Überzeichnung im Baugebiet Oldenstadt. Verhindert haben wir, dass für den KiTa-Standort Emsberg Waldfläche geopfert wird. Auf Kreisebene haben wir bereits als einzige Gruppierung 2007 den HVV-Beitritt für Pendler nach Hamburg und Touristen von Hamburg gefordert. Heute wollen es auch andere gewesen sein, aber egal, gut ist die Umsetzung.
Was haben Sie als UWG-Fraktion weiterhin vor ?
Joachim Delekat: Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist das Ziel für die nächste Ratsperiode. Das ist wohl einer der ungerechtesten Abgaben, insbesondere von Einfamilienhausbesitzern, die an einer stark frequentierten Straße wohnen. Oft besitzen diese Eigentümer gar kein Auto und werden dann mit Unsummen im fünfstelligen Bereich zur Kasse gebeten. Besser wäre eine solidarische Umlegung dieser Kosten auf die Grundsteuer, das wären dann erträgliche Jahresbeträge. Darum haben auch schon einige Gemeinden in Niedersachsen diesen Unsinn abgeschafft, ebenso wie Bayern und mittlerweile acht weitereBundesländer. Weitere Vorhaben zu erwähnen, würde hier den Rahmen sprengen, zu lesen ist das alles auf unserer Homepage.
Was ist an Uelzen so liebens- und lebenswert ?
Joachim Delekat: Wir wohnen ruhig und was Immobilien betrifft (noch) recht preiswert in einer ländlichen Region. Gleichwohl sind wir per Bahn in 45 Minuten in den Metropolen Hamburg und Hannover, in knapp zwei Stunden in Berlin. Wenn ich das meinen Kollegen in Hannover erzähle, schauen die mich ungläubig an und berichten von ihrer täglich einstündigen-Straßenbahn-Fahrt zum Arbeitsplatz von ihrer doppelt so teuren Immobilie innerhalb der Region Hannover. Das sagt eigentlich alles. Angenehm ist hier: Man kennt sich, man hat nachhaltige und wertvoll-einheimische Produkte vor Ort. Da ich selbst in Großstädten wie Köln und Hannover gelebt habe, schätze ich Uelzen umso mehr.
Was ist Ihr privater Ausgleich ?
Joachim Delekat: Gartenarbeit und Reisen. Der Garten ist wie eine Meditation für mich, da kann ich völlig abschalten. Ich bin vom Sternzeichen her Schütze, das sollen besonders reisefreudige Leute sein. Für mich stimmt das, meine Ehefrau ist zum Glück auch Schütze, das passt dann.
Warum sollten sich Menschen in der Kommunalpolitik engagieren ?
Joachim Delekat: Ehrenamtliches Engagement in Feuerwehren, karitativen Einrichtungen usw. prägt unsere Gesellschaft. Man stelle sich mal vor, das gäbe es nicht. Unser Land wäre dann viel ärmer. Kommunalpolitik kann zeitintensiv und manchmal anstrengend sein. Die längste Ausschusssitzung ging mal sechs Stunden, das ist aber schon die Ausnahme. Und es sind die kleinen Erfolge auf gemeindlicher Ebene, über die man sich freut, wenn sie umgesetzt werden. Größtenteils arbeiten wir auch sehr konstruktiv trotz politisch gegensätzlicher Meinung interfraktionell zusammen. Letztendlich steht immer der Kompromiss als Ergebnis da. Und es sind die vielen Begegnungen außerhalb des politischen Diskurses, die kleine Erfolge zeigen. So beispielsweise die Spenden, die ich als Mitglied der Vertreterversammlung einer Genossenschaftsbank in Hannover für den Kinderschutzbund und den Jugendhilfeverein Uelzen eingeworben habe. Auch die Beteiligung der UWG am Mentoring-Programm im Jahr 2015 „Politik braucht Frauen“ mit Veranstaltungen in Hannover, Lüneburg und Stade war sehr interessant und erfolgreich. Die Wahl zum ehrenamtlichen Richter am Landgericht an der kleinen, beziehungsweise große Strafkammer ist sehr spannend, die zwei bis vier Einsätze im Jahr kann man zeitlich gut unterbringen. Zu erwähnen ist hier auch die sehr gute Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Markus Launer von der Ostfalia Hochschule Suderburg, Fakultät Handel/Logistik, mit dem ich 2016 ein bundesweites Onlineschulungsprogramm für 1000 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer auf den Weg gebracht habe. Mittlerweile haben wir auch ein großes Netzwerk für internationale Forschungs- und Dienstleistungskongresse in Uelzen etabliert, der fünfte Kongress findet im November in Uelzen statt. Auch meine Wahl zum Delegierten der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Erfurt bestärkt mich in meiner ehrenamtlichen politischen Tätigkeit. Fazit: Ehrenamt macht glücklich, auch das Ehrenamt in der Kommunalpolitik.
Foto (privat): Joachim Delekat, UWG