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Kultur

Im Theater an der Ilmenau: Ukrainische Theater-Legende führt Regie bei Anti-Kriegs-Stück

 |  Kunst & Kultur

Von Michael Michalzik

Uelzen. Es sind bittere Erfahrungen, die der ukrainische Theater-Veteran Vladyslav Troitskyi im Verlauf des vergangenen Jahres machen musste: Zwei Schauspiel-Kollegen sind tot, gefallen im Kampf gegen die russischen Invasoren. Troitskyi selbst musste fliehen. Die einst schöne Stadt Mariupol, in der er einer der Mitbegründer eines großen, freien Kunstfestivals war, ist bis auf die Grundmauern zerstört. Der 58-Jährige spricht mit ruhiger, fester Stimme mit den Uelzener Nachrichten über das Grauen, das die russische Armee in der Ukraine angerichtet hat. Für ihn gibt es eine wesentliche Erkenntnis, betont er auf Englisch: „Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen. Sonst sind als nächstes die Baltischen Staaten dran, danach vielleicht Polen und irgendwann Deutschland.“ Russland sei ein totalitäres Regime geworden. Europa habe so etwas schon einmal erlebt: „Die Geschichte wiederholt sich“, betont der bekannte ukrainische Regisseur und Schauspieler.

Aber er wäre nicht Vladyslav Troitskyi, wenn er schlicht fern der Heimat Gespräche führen und sinnieren würde – längst ist er mit Herzblut in neue Projekte eingestiegen, um mit der Stimme der Kunst den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg anzuklagen: Viele Künstler des von Troitskyi gegründeten DAKH-Theaters, des ältesten und einzigen unabhängigen Profi-Theaters der Ukraine, sind mit ihm nach Frankreich geflohen. Unter dem Motto „ArtFront“ setzen sie seitdem auf europäischen Bühnen Zeichen gegen den Krieg.

Und das bald auch in Uelzen: Am 14. April, 20 Uhr, hat das Stück „MutterHerz – Kinder sammeln unsere Tränen“ im Theater an der Ilmenau unter der Regie von Vladyslav Troitskyi Premiere. Es ist ein Stück über die Tragödie von Müttern, deren Kinder an der Front sind. Die Aufführung dreht sich um die Erinnerungen einer Mutter (Tetiana Troitska) an Liebe, Geburt, Kindheit und die Erwartung dessen, was wegen des Krieges vielleicht nicht passieren wird.

Die Geschichte verknüpft drei Zeitdimensionen: Vergangenheit, Gegenwart und eine mögliche glückliche Zukunft. Es gibt jedoch noch eine andere Seite der Realität und eine Schlüsselfrage: „Was ist, wenn er nie mehr zurückkommt?“ Das Stück basiert auf persönlichen Texten, die ukrainische Mütter während des russischen Einmarsches in der Ukraine an ihre Söhne geschrieben haben. Darunter auch Briefe von Frauen aus einem Luftschutzkeller in Mariupol und einer Frau aus Lviv, deren zwei Söhne an der Front gefallen sind.

Das Stück ist eine Kooperation zwischen DAKH-Theater und dem Schauspielkollektiv Neues Schauspiel Lüneburg um Julia von Thoen und Thomas Flocken, die das ukrainische Ensemble schon vor dem Krieg kannten. Nach der Uelzener Premiere soll das Stück auf Tournee gehen: „Wir wollen unsere Geschichte erzählen“, sagt Regisseur Troitskyi. Und mehr als das: Derzeit sind Tochter-Ensembles des DAKH-Theaters auf vielen großen europäischen Bühnen zu erleben. Ein Teil der generierten Einnahmen dient der Unterstützung der ukrainischen Heimat.

Um „MutterHerz“ allen Zuschauern zugänglich zu machen, greifen die Macher auch im Theater an der Ilmenau tief in die technische Trickkiste: Die vorgetragenen Texte werden durch professionelle Animationen mit Untertiteln ergänzt.

Wichtig: Ukrainerinnen und Ukrainer haben freien Eintritt. Im Anschluss an das Stück besteht die Gelegenheit, mit dem Ensemble ins Gespräch zu kommen.

Foto: Michalzik