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Landkreis Uelzen

Das Aus für die A39? Ampel-Bildung in Berlin wird Folgen für die Autobahn haben

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Von Michael Michalzik

Uelzen. Es ist die Woche der Ampelgespräche – und sie wird vermutlich intensive Auswirkungen auf den Landkreis Uelzen haben: Wenn Grüne, FPD und SPD sich auf eine Koalition einigen, wird grüne Politik eine erheblich stärkere Rolle in Deutschland spielen. Mit weitreichenden Folgen für den geplanten Bau der A39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg.

Markus Jordan, Vorsitzender der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Uelzener Landtag: „Die künftige Verkehrspolitik muss sich an den Klimazielen orientieren.“ Mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen müsse der bestehende Bundesverkehrswegeplan neu geschrieben werden. Und da ist auch nach Ansicht des Niedersächsischen Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler kein Platz mehr für eine A 39: „Es gibt gute Alternativen, beispielsweise den 2+1 Ausbau der B4. Wir haben nicht zu wenig Straßen. Aber der Bund sollte das Geld, das der Ausbau der A39 kosten würde, in den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur investieren.“ Die Milliarden wären auch in Bahnschienen besser angelegt.

„Es ist Ziel der Grünen Verkehrspolitik, den Bau der A39 nicht weiter zu verfolgen“, hält Markus Jordan fest. Auch er spricht sich für einen Ausbau der B4 aus: „Wir könnten schon seit Jahrzehnten bequem von Nord nach Süd fahren, wenn wir nur eher zugegriffen hätten.“

Die vier Anrainer-Verwaltungschefs aus Uelzen, Wolfsburg, Gifhorn und Lüneburg betonten vor kurzem noch ihre Unterstützung für das Projekt A39: Wolfsburgs jetzt in Ruhestand gegangener Oberbürgermeister Klaus Mohrs ebenso wie die Landräte Jens Böther (Landkreis Lüneburg), Dr. Andreas Ebel (Landkreis Gifhorn, abgewählt) und Dr. Heiko Blume (Landkreis Uelzen) waren sich einig: Eine neuerliche Forsa-Meinungsumfrage zeige weiterhin eine deutliche Akzeptanz der Menschen in der Region für einen Lückenschluss zwischen Lüneburg und Wolfsburg. An der breit getragenen positiven Grundstimmung bestehe nach wie vor kein Zweifel. Von einer „stark umstrittenen Infrastrukturmaßnahme“, wie immer wieder behauptet werde, könne keine Rede sein. Die A 39 sei eine „Zukunftsachse“ für Ostniederachsen.

Allerdings kommt Kritik auch von außerhalb der Politik: „Eine Verkehrswende muss dringend erfolgen, damit wir überhaupt noch die Chance haben, den Klimawandel zu stoppen. Autobahnmammutprojekte wie die A 39 oder die A 20 widersprechen nationalen und internationalen Klimaschutzzielen und sind deshalb mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, hält Dr. Tonja Mannstedt, Leitung Kommunikation des BUND-Landesverbands Niedersachsen fest: „In den nächsten zwei Jahren wird der geltende Bundesverkehrswegeplan überprüft. Dieser sieht knapp 1.000 Straßenbauprojekte vor: über 800 Kilometer neue Autobahnen und tausende Kilometer Bundesstraßen. Alle Parteien haben im Wahlkampf dem Klimaschutz hohe Priorität zugewiesen. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie dies ernst meinen und handeln. Auch der Verkehrssektor muss seinen Beitrag zur Senkung der Treibhausgase leisten. Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung ihrer Verantwortung gerecht wird, desaströse Straßenbauvorhaben wie die A39 auf ihre Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht neu bewertet und endlich stoppt.“

Ein vom BUND am 8. Oktober veröffentlichtes Rechtsgutachten zeige im Übrigen auf, dass der Bundesverkehrswegeplan erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Er ist weder mit dem Ziel der Klimaneutralität noch mit Artikel 20a des Grundgesetzes vereinbar: „Das Gutachten folgert, dass damit auch für Fernstraßenplanungen, die sich auf die Bindungswirkung des Bundesverkehrswegeplans stützen, eine Unvereinbarkeit angenommen werden kann“, so die BUND-Sprecherin.

Für Markus Jordan sind Autobahnen eine Planungsidee des vorigen Jahrhunderts, geboren in der Zeit des Wirtschaftswunders und seitdem nicht mehr grundsätzlich weitergedacht. Für den Landkreis Uelzen stellt sich die Kreistagsfraktion der Grünen ganz andere Lösungen vor. Jordan verweist auf den gestellten, aber in den Gremien noch nicht behandelten Antrag seiner Fraktion für ein Mobilitätskonzept für den Landkreis Uelzen: Individualverkehr werde es im Flächenkreis weiterhin geben. Aber das ÖPNV-Angebot müsse immer weiter ausgebaut werden. Verkehrs-Hubs müssten eingerichtet werden, an denen die einzelnen Verkehrsmittel vernetzt sind, etwa das jeweilige Umsteigen von Auto auf Zug, Bus auf Zug oder Zug auf Fahrrad.

Für Autobahnen, da zieht auch der BUND eine klare Linie, ist selbst dann kein Platz mehr, wenn E-Autos drüberrollen: „Der Flächen- und Naturverbrauch durch den Straßenbau muss gestoppt werden. Die noch unversiegelten Flächen wie Moore, Wiesen und Wäldern sind wichtige CO2-Speicher für den Klimaschutz. Der geplante Straßenneubau kostet Milliarden von Euro. Dieses Geld muss jetzt in die Verkehrswende investiert werden. Die Prioritäten im Mobilitätssektor müssen in den kommenden zehn Jahren bei den anderen Verkehrsarten liegen: Bund und Länder müssen den Schienenverkehr als ÖPNV in der Fläche stärken, zusammen mit einem ergänzenden Busnetz. Auch der Fahrradverkehr als Alltagsverkehr in den Städten und zu Bus- und Bahnstationen muss in Niedersachsen deutlich ausgebaut, die Fahrradmitnahme in Bus und Bahn erleichtert werden“, betont BUND-Sprecherin Dr. Mannstedt.

Markus Jordan: „Der Neubau der A 39 zerstört eine intakte Kulturlandschaft, wertvollen Wald und würde ein europäisches Naturschutzgebiet durchschneiden. Das ist in Zeiten der Klimakrise und des massiven Verlusts der Artenvielfalt vollkommen absurd. Die EU macht Druck auf Niedersachsen, dass wir unsere FFH-Gebiete schützen. Auch weil dieses berechtigt und wichtig ist, dürfen wir diese Gebiete nicht mit neuen Autobahnen zerstören.

Jordan geht davon aus, dass die Parteien sich einig werden und die Ampel künftig Deutschland regiert.

Symbolgrafik: Adobe Stock