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Landkreis Uelzen

Berlin-Tagebuch der Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (Teil 4): Das neue Parlament nimmt seine Arbeit auf

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Hallo Uelzen,

diese Woche war es endlich so weit. Vor 4 Wochen wurde gewählt und an diesem Dienstag sollte erstmalig der neue Bundestag zusammentreten und sich konstituieren.

Aber vorher ging die Woche mit allerhand Sitzungen los. Am Montag konstituierte sich die Junge Gruppe innerhalb unserer FDP-Fraktion. Dort organisieren sich alle Mitglieder, die bis zum Wahltag nicht älter als 41 Jahre waren. Zu unserem Vorsitzenden haben wir Jens Teutrine gewählt. Der Chef unserer Jugendorganisation, den Jungen Liberalen, sitzt nämlich auch neu im Bundestag. Wichtig ist uns mit dieser jungen Gruppe vor allem die Anliegen unserer Altersgruppen und derjenigen unter 18 besonders in den Fokus zu stellen. Denn viel zu oft fehlt es hier an ausreichender Vertretung.

Danach ging es dann in die große Fraktionssitzung. Neben allerlei organisatorischer Vorbereitung für die konstituierende Bundestagssitzung am nächsten Morgen, stellte sich auch die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bei uns vor. Auch wenn uns politische Inhalte trennen, bewundere ich den sozialen Aufstieg, den Frau Bas aus eigener Kraft geschafft hat. Als eine von wenigen Nichtakademikerinnen nicht nur in den Bundestag einzuziehen, sondern auch noch bis an dessen Spitze zu kommen, beeindruckt mich wahnsinnig.

Aber leider gab es auch schlechte Nachrichten. Da sich einige AfD Abgeordnete weigerten mitzuteilen, ob sie geimpft oder genesen sind, geschweige denn bereits waren sich testen zu lassen, wurde die Besuchertribünen für Zuschauer gesperrt, damit diese Abgeordneten dort Platz nehmen können. Was daran so ärgerlich war, beschreibe ich später.
Danach gab es noch einen Empfang mit allen alten und neuen Fraktionskollegen im Restaurant auf der Reichstagkuppel. Ein wirklich einmaliger Ausblick.

Am Dienstag war dann endlich der Tag der Tage. Zu diesem Anlass besuchte mich nicht nur mein Bruder, auch mein neuer Pressereferent kam nach Berlin, um seinen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Leider mussten beide die Sitzung auf einem Fernseher in meinem Büro verfolgen. Denn da die auskunftsunwilligen AfDler die Besuchertribüne blockierten, gab es dort keinen Platz.

Anschließend ging es noch zu einem Fototermin, um dann endlich die Herzkammer unserer Demokratie zu betreten. Der innere Plenarbereich ist tatsächlich ausschließlich den Abgeordneten und den Saaldiener vorenthalten, ohne Abgeordnetenausweis kommt niemand an den Sicherheitskräften vorbei. Selbst die Presse muss sich auf der so genannten „Rennbahn“ vor dem Saal tummeln – etwas, an dass ich mich noch gewöhnen muss. Dies verstärkt noch einmal den Eindruck an einem sehr wichtigen Ort zu sein. Nach all der Zeit endlich in diesem Saal zu stehen hat mich ehrlich gesagt mit Stolz, aber auch mit tiefer Demut erfüllt. In diesem Augenblick wird einem erneut schlagartig bewusst, was für eine wahnsinnige Verantwortung man trägt und welche Aufgabe vor einem liegt.

Eröffnet wurde die Sitzung dann vom Alters- und scheidenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Neben einigen protokollarischen Punkten war für heute natürlich die Wahl der neuen Bundestagspräsidentin und ihrer Stellvertreterinnen und ihres Stellvertreters das wichtigste Thema.

Die Wahl wurde noch von Herrn Dr. Wolfgang Schäuble eröffnet. Anschließend wurden alle Mitglieder namentlich aufgerufen um sich ihren Wahlzettel, sortiert nach Alphabet und Fraktion an einem Schrank abzuholen, der bis zu diesem Zeitpunkt verschlossen war. Dann wurde in kleinen Wahlkabinen die Stimme geheim abgegeben und dann ab mit dem Zettel in die Urne. Bei über 700 Abgeordneten dauert das ganze Prozedere natürlich eine Weile. Für viele also der richtige Zeitpunkt eine kleine Pause zu machen, vor die Kameras zu treten oder Gespräche zu führen, bis dann kurz vor dem Ende des Wahlganges eine Sirene ertönt, die signalisiert, dass der Wahlgang in Kürze geschlossen ist.

Nachdem Bärbel Bas mit einem überzeugenden Ergebnis gewählt wurde, durften alle Parteien einen Stellvertreter nominieren. Für uns war das Wolfgang Kubicki, der schon in den letzten 4 Jahren die Sitzungen im Bundestag mit Fachkenntnis und Charme geleitet hat.
Wichtig ist dabei zu betonen, dass die Fraktionen lediglich das Recht haben, einen Kandidaten vorzuschlagen. Die Entscheidung, ob dieser Kandidat gewählt wird, obliegt allein dem Gewissen des einzelnen Abgeordneten. Ein normaler Vorgang. Mit meinem persönlichen Gewissen ist die Wahl eines AfD-Mitgliedes nicht vereinbar und deswegen habe ich gegen den Kandidaten dieser Partei gestimmt.

Am Abend gab es dann erneut einen kleinen Empfang, aber für einen einzelnen Tag hatte ich nun wahrlich genug erlebt.

Am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Hause. Dort erwartete mich am Donnerstag dann ein Kreisparteitag der Celler FDP. Hier durfte ich ein kleines Grußwort halten, in dem mir besonders wichtig war zu betonen, dass ich nicht vergesse und mir bewusst ist, dass ich ohne die Unterstützung von vor Ort niemals zu weit gekommen wäre. Nach einigen Tagen Berlin mit seinem „larger than life feeling“, ist dieser Aufenthalt zu Hause genau das richtige gewesen.

Schön wieder hier zu sein.

Foto (privat): Anja Schulz (Bildmitte) mit einigen der weiblichen FDP-Ageordneten.