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Landkreis Uelzen

Berlin-Tagebuch der FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (Teil 5): Über Koalitionsvertrag, Impfpflicht und Altersvorsorge

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Hallo Uelzen,

was für eine intensive Woche! All die Arbeit, die seit der Bundestagswahl im September angefallen ist, lief in dieser Woche auf den entscheidenden Punkt hinaus: unser digitaler Bundesparteitag, auf dem wir über die Annahme des Koalitionsvertrages entscheiden sollten.

Vor dem Bundesparteitag gab es natürlich eine Fraktionssitzung. Dort haben die Hauptverhandler der Fraktion den Koalitionsvertrag vorgestellt. Im Anschluss haben wir diskutiert und uns ausführlich mit dem Koalitionsvertrag beschäftigt. Auch wurden uns die Personalvorschläge für die Ministerien mitgeteilt, die in Zukunft von der FDP besetzt werden würden. Ich selbst hätte mir kaum geeignetere Personen für diese Posten vorstellen können, da alle vier sehr erfahrene und kompetente Fachleute auf ihren Gebieten sind. Mit Christian Lindner haben wir die Chance, in diesen turbulenten Zeiten die Finanzlage des Staates stabil und zukunftssicher zu gestalten. Volker Wissing und Bettina Stark-Watzinger verfügen über erstaunliche Expertise in ihren Themenfeldern, und Marco Buschmanns hoher ethischer Anspruch an das Verhältnis von Staat, Bürger und Freiheit ist von außerordentlicher Qualität für jemanden, der in Zukunft die Rechtsprechung dieses Landes entscheidend prägen wird.

Aber wir haben uns natürlich nicht nur mit uns selbst beschäftigt. Das große Thema war für uns die Allgemeine Impfpflicht. Für uns Liberale ist dieses Thema ein echtes ethisches Dilemma. Aus unserem traditionellen Selbstverständnis heraus achten wir die individuelle Freiheit jedes Einzelnen sehr hoch. Die Verpflichtung zu einem medizinischen Eingriff stellt zugleich einen enormen Eingriff in die individuelle Freiheit dar. Dennoch kann nicht geleugnet werden, dass die aktuelle Lage so dramatisch ist, dass die schlechte Impfquote und die daraus resultierenden Konsequenzen inzwischen erheblich in die individuelle Freiheit des Rests der Gesellschaft eingreifen.

Es steht die Frage im Raum, was der größere Eingriff in die persönliche Freiheit ist. Die verpflichtende Impfung oder der immer wieder kehrende Kreislauf aus Maßnahmen und Lockerungen, die unsere Gesellschaft zermürben. Selbst, wenn die Allgemeine Impfpflicht kommt, muss die rechtliche Grundlage wohl überlegt sein. Vor allem, da wir inzwischen davon ausgehen müssen, dass es nicht nur bei einer dritten Impfung bleiben wird.

Für mich persönlich ist die Meinungsbildung in diesem Fall ein wirklich anspruchsvoller Prozess. Ich bemühe mich aktuell darum, möglichst viel an Expertise und Fachmeinung zu diesem Thema zu konsumieren, um am Ende eine gute Entscheidung treffen zu können. Eines kann ich versprechen: Ich mache es mir wirklich nicht leicht.

Das ist auch das, was ich all den Menschen antworte, die mir zu diesem Thema schreiben. Leider gibt es neben den vielen respektvollen Menschen, die ehrlich darum bemüht sind mir ihre Sorgen und Standpunkte mitzuteilen, stetig mehr Mails und Nachrichten, die sich im Tonfall vergreifen und immer extremer werden. Erstaunlicherweise aus beiden Lagern; Gegner sowie Befürworter eine Allgemeinen Impfplicht. Natürlich ist die Situation angespannt und für viele Menschen ist es ein Thema, das erhebliche in ihren Alltag eingreift. Ich weiß das, denn mir geht es genauso. Aber trotzdem dürfen wir als demokratische Gesellschaft nicht unseren Anstand und unsere Diskussionskultur verlieren. Denn die Art wie wir miteinander reden, Angelegenheiten aushandeln und Probleme lösen, ist eines der wertvollsten Werkzeuge, die wir in der Demokratie haben.

Wir müssen auch endlich Schluss damit machen, dass ein Überdenken von Standpunkten als „Umfallen" als „Wendehalsigkeit" oder Charakterschwäche diffamiert wird. Wer in einer sich ständig verändernden und eskalierenden Situation nicht in der Lage ist seine Meinung zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen, der ist nicht prinzipientreu auch nicht standfest, sondern dem fehlt es schlicht an Weisheit und Größe.

Am Donnerstagnachmittag war ich als Sprecherin auf einer Veranstaltung des Wirtschaftrates der CDU zu Gast. Dort habe ich zu den Themen Altersvorsorge und Arbeitsmarkt gesprochen. Wer meine Arbeit schon länger verfolgt weiß, dass vor allem eine zukunftsfitte Rente eines meiner Herzensthemen ist. Dementsprechend bin ich immer froh, wenn ich diese wichtige Angelegenheit zum Thema machen kann. Eine umfassende Neuaufstellung der Altersvorsorge ist nötiger denn je. Aber auch hier bin ich mir sicher, dass wir mit der neuen Koalition die richtigen Weichen stellen werden.

Am Freitag gab es eine Expertenanhörung zum Thema Lieferengpässe. Geschäftsführer mehrerer mittelständischer Unternehmen haben die multiplen Gründe für die derzeitigen Lieferengpässe ausführlich erläutert. Einige von ihnen sind echte "Hidden Champions" in ihren Bereichen. Gerade die Unternehmen, die scheinbar unter dem Radar der Öffentlichkeit laufen, spielen oft eine sehr wichtige weltweite Rolle auf ihren Fachgebieten. Doch gerade für diese spezialisierten Hersteller sind die vielschichtigen Gründe der Lieferengpässe ein echtes Problem, da die Sorge groß ist, dass diese Schwächen dazu führen können, den führenden Status in der Weltwirtschaft zu verlieren.

Am Samstag ging es dann mit der Parteiarbeit weiter. Unser Landesvorstand in Niedersachsen tagte und wir wurden mit wichtigen Informationen versorgt. Unter anderem auch darüber, dass mein geschätzter, niedersächsischer Kollege Christian Dürr in Zukunft der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag werden soll. Da Christian Lindner der neue Finanzminister wird, ist dieser Posten unbesetzt. Es gibt in vielen Parteien Regelungen, dass nicht zu viele verschiedene Posten und Ämter in einer Hand liegen sollen. Mal abgesehen davon, dass die Leitung eines Ministeriums eine sehr umfangreiche Aufgabe ist und davon auszugehen ist, dass jemand nebenbei mit Sicherheit keine Fraktion leiten kann, ist es üblich, dass Mitglieder der Regierung sich ein Stück weit aus dem Alltagsgeschäft der Partei lösen. Immerhin würde Herr Lindner künftig der Finanzminister aller Bürgerinnen und Bürger und nicht nur der FDP.

Auf Außenstehende mag das vielleicht manchmal wie ein Personalkarussell wirken, aber aus oben genannten Gründen ist es durchaus sinnvoll, wenn öfter mal Platz gemacht wird für andere talentierte Menschen.
Von dieser Neuigkeit erfahren haben wir somit natürlich schon vor der öffentlichen Bekanntgabe über die Pressemitteilung. Das ist nicht unüblich. Solche Entscheidungen werden aus gutem Grund vorab intern mitgeteilt. Das soll verhindern, dass Kolleginnen oder Kollegen plötzlich von der Presse angesprochen werden und selbst noch gar nicht über aktuelle Entwicklungen im Bilde sind. Dabei geht es nicht nur um Personalentscheidungen, sondern auch um inhaltliches.

Am Sonntag war es dann endlich so weit. Der digitale Bundesparteitag der Freien Demokraten. Christian Lindner hat dort mit dem Satz: "Es ist ein Koalitionsvertrag für eine Politik der Mitte, der unser Land nicht nach links rückt, sondern nach vorne führen will" eine treffende Einordnung geliefert. Die Ampelregierung hat die Chance unser Land gesellschafts- und wirtschaftspolitisch endlich in das 21te Jahrhundert zu holen. Der Fokus auf der Erneuerung des Bildungs- und Aufstiegsversprechens ist dabei auch in seiner Rede ein zentraler Baustein gewesen.

Am Ende wurde der Koalitionsvertrag mit mehr als 92% angenommen. Es kann also endlich losgehen – zurück in die Zukunft.

 

Foto: privat