Berlin-Tagebuch unserer FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (10): Unterstützung für Steinmeier und klare Meinung zu Freiheitseinschränkungen
Hallo Uelzen,
meine letzte Sitzungswoche begann schon zwei Tage früher als üblich. Denn am Sonntag trafen sich über 1400 Mitglieder der Bundesversammlung im Paul-Löbe-Haus, um einen Bundespräsidenten zu wählen. Normalerweise findet die Bundesversammlung im Plenarsaal statt. Aufgrund der Pandemie allerdings ausnahmsweise im Paul-Löbe-Haus, das bietet mehr Raum. Alle Teilnehmer mussten sich am Samstag vor der Versammlung einem Schnelltest unterziehen. Das hatte leider zur Folge, dass einige Mitglieder, auch aus unserer Fraktion am Ende nicht live dabei sein konnten, sondern alles nur vor dem heimischen Fernseher verfolgen konnten.
Für die Freien Demokraten war klar, Frank- Walter Steinmeier in seinem Amt zu bestätigen. Neben allen Abgeordneten des Bundestags und nach einem Verhältnis aus den Landtagen, haben die Parteien zu diesem Anlass auch die Möglichkeit für sie relevant erscheinende Personen des öffentlichen Lebens zu Wahlfrauen oder Männern zu küren. So kam es, dass neben bekannten Gesichtern des politischen Lebens auch Personen wie Bundestrainer Hansi Flick, Schlagerlegende Roland Kaiser oder Comedian Klaas Heufer-Umlauf an der Wahl teilnahmen. Für die FDP waren unter anderem der Kabarettist Dieter Nuhr anwesend und der NSU-Opferanwalt Mehmet Daimagüler.
Steinmeier selbst wurde mit einem kräftigen Ergebnis im Amt bestätigt und überzeugte im Anschluss mit einer ungewohnt kämpferischen Rede, in der er unter anderem klarstellte, das ihn jeder zum Feind hätte, der vorhabe, sich an der Demokratie zu vergehen.
Aber auch seine Worte in Richtung des russischen Autokraten Putin waren ein wichtiges Zeichen. Die Schlinge muss endlich vom Hals der Ukraine genommen werden. Wie wir erst in diesen Tagen mit erschüttern feststellen müssen, haben diese Worte nichts an Aktualität verloren.
Die Sitzungswoche selbst war von den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz geprägt. Auf der einen Seite bin ich mir sicher, dass die Zeichen ohne den Einfluss der FDP weniger auf Lockerung stehen würden, was man durchaus auch als Erfolg kommunizieren kann. Auf der anderen Seite sind Beschränkungen auf Vorrat und das unsägliche Wort „Basisschutzmaßnahmen“ natürlich kein Grund zum Feiern. Eine schwere Lage für uns.
Für mich steht fest, Freiheitseinschränkungen darf man nicht wie die Konservendosen im Keller für „schwere Zeiten“ auf Vorrat behalten. Sobald die Lage beherrschbar und die Überlastung wichtiger Infrastruktur, wie beispielsweise die Belegung der Intensivbetten im Gesundheitswesen nicht gegeben ist, sind Eingriffe in die Freiheit des Menschen ethisch und juristisch nicht haltbar.
Unser Parlament hat im vergangenen Dezember gezeigt, dass es durchaus in der Lage ist, schnell zu handeln. Sollte die Pandemie also wieder eine Dynamik entwickeln, die ein Eingreifen unausweichlich macht, haben wir die Möglichkeit kurzfristig zu reagieren. Eine Vorbehaltsregelung wie jetzt angedacht ist, ist also überflüssig. Auch steht es jedem zu auch mit Auslaufen der Verordnungen und Maßnahmen weiterhin auf Eigenschutz zu setzen, sich impfen und boostern zu lassen, eine FFP2- Maske zu tragen und Abstand zu halten. Dass dies vor Infektionen und schweren Krankheitsverläufen schützt, ist hinreichend belegt. Als freiheitlich denkender Mensch, der an die Vernunft und Eigenverantwortung des Einzelnen glaubt, denke ich, dass viele diese Optionen auch weiterhin freiwillig für sich zu nutzen wissen.
Am Freitag hätte ich dann eigentlich meine erste Rede im Deutschen Bundestag halten sollen. Die Linkspartei hat sich an einem Antrag zum Thema Rente versucht. Dass ich mit dem Inhalt nicht wirklich übereinstimme, sollte dabei nicht verwundern. Allerdings scheint auch die Linkspartei gemerkt zu haben, dass sie mit ihrem Antrag keinen großen Erfolg erzielen kann und so verschwand der Antrag kurzfristig von der Tagesordnung und wurde durch einen anderen ersetzt, der thematisch nicht in meine Berichterstattung fällt. Somit war die Aufregung vor der ersten Rede vorerst umsonst. Sehr schade, denn die Vorfreude war groß. Aber das gute an der Linkspartei ist, man kann sich drauf verlassen, dass es nicht der letzte Antrag zu dem Thema war, bei dem man anderer Meinung sein wird.
So werde ich bestimmt an einem anderen Tag die Chance haben, zu meinem Herzensthema zu sprechen. Die Neuaufstellung und Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Um endlich unabhängiger von der demografischen Entwicklung zu werden.
Bis bald Uelzen