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Landkreis Uelzen

Berlin-Tagebuch unserer FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (11): Die erste Rede im Parlament

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Hallo Uelzen,

nach drei Wochen Pause war es endlich wieder soweit und in Berlin stand eine Sitzungswoche an. Natürlich kamen wir dabei nicht am Thema Ukraine vorbei. Bereits am Mittwoch gab es zu den aktuellen Entwicklungen eine emotionale Debatte im Plenum. Bei diesem Thema bleibe ich bei den Positionen, die ich in meinem letzten Gastbeitrag für die Uelzener Nachrichten bereits geschildert habe.

Eine der zentralen Lehren aus diesem Krieg ist es, dass die Elendsverwaltung der Bundeswehr endlich ein Ende haben muss. Bei all dem unfassbaren Leid, das dieser Krieg produziert, ist der westlichen Welt scheinbar wieder bewusst geworden, dass die Fähigkeit zur Verteidigung kein antiquierter Luxus ist oder Fetisch einer Waffenlobby. Vielmehr ist sie die Überlebensversicherung der freien, liberalen Demokratien im Systemwettstreit mit den autokratischen Regimen der Welt. Ich hoffe daher inständig, dass das versprochene Sondervermögen so effektiv wie möglich genutzt wird.

Ich bin mir sicher, dass die FDP und unser Finanzminister mit Argusaugen darüber wachen werden.

Am Donnerstag kam es dann zu einer denkwürdigen Sitzung des Bundestages und das leider nicht im positiven Sinne. In einer emotionalen Rede hat der ukrainische Präsident Selenskyj von den Grauen des Krieges berichtet, der in seinem Land tobt und dabei völlig zurecht die Bundesregierung und den Kanzler zu mehr Engagement aufgerufen. So richtig es auch ist, dass wir viele Geflüchtete aufnehmen und Waffen liefern, so wahr ist auch, dass wir nicht glauben dürfen, dass wir damit alles geleistet haben, was nötig ist. Es ist ein sehr schmaler Grat, auf dem wir hier wandern.

Beschämend war jedoch die Situation, die sich nach der Rede des Präsidenten ergab. Dieser Vorfall ist ein gutes Beispiel dafür, dass zwei Sachverhalte gleichzeitig wahr sein können und sich nicht gegenseitig ausschließen. Denn ja, dass wir als Parlament nach dieser Rede anstandslos zur Tagesordnung übergegangen sind, war ein Fehler und für mein Empfinden unangebracht. Das Argument von Frau Hasselmann, dass in so einer Situation das Zuhören eine echte Stärke sei, lasse ich nicht gelten. Denn die Rede von Herrn Selenskyj war nicht einfach nur ein Redebeitrag. Es war ein Hilferuf. Wer auf einen Hilferuf nicht reagiert und stattdessen Geburtstage verliest, der zeigt keine Stärke, sondern Pietätlosigkeit.

Wahr ist allerdings auch, dass die Unionsfraktion sehr wohl der Tagesordnung noch kurz vorher zugestimmt hat. Sie hätte also die Möglichkeit gehabt bereits im Vorfeld auf die Gestaltung des Sitzungsablaufes Einfluss zu nehmen und hat es nicht getan. Hier drängt sich also der Verdacht auf, dass man den öffentlichen Fauxpas gezielt wollte, um sich vor laufenden Kameras selbst zu inszenieren. Am Ende vom Lied haben wir alle verloren. So viel Ehrlichkeit muss sein, an diesem Tag haben wir uns alle nicht mit Ruhm bekleckert. Punkt.

Zum Abschluss der Woche wurde es für mich ganz persönlich dann ernst. Denn am Freitag um kurz nach 14 Uhr sollte ich meine erste Rede vor dem Plenum des Deutschen Bundestages halten. Die Linkspartei hatte einen Antrag zur Erhöhung der Mindestreserve in der Deutschen Rentenversicherung eingereicht und wenig verwunderlich damit keine Begeisterungsstürme bei mir ausgelöst.

Ursprünglich hätte dieser Antrag und meine erste Rede schon vor einiger Zeit stattfinden sollen, doch Aufgrund einer Verschiebung hatte ich noch einmal eine Gnadenfrist erhalten. Jeder, der in der Politik aktiv ist, muss damit rechnen irgendwann mal vor vielen Leuten zu sprechen. Im Normalfall kriegt man die Aufregung mit der Zeit gut in den Griff. Doch das allererste Mal, im höchsten deutschen Parlament eine Rede zu halten, das ist schon etwas ganz besonderes. Dementsprechend nervös war ich auch. Das wurde leider nicht besser dadurch, dass sich die Tagesordnung am Freitag immer weiter nach hinten verzögerte. Jeder weiß, dass das Warten bei solchen Dingen immer das Schlimmste ist.

Mit einer knappen Stunde Verspätung war es dann so weit und wie so oft, war es alles gar nicht mehr so schlimm, als ich dann vor dem Mikrofon stand. Wer meine Rede sehen will, der kann gerne meine Social Media Kanäle besuchen. Dort habe ich die Rede hochgeladen.

Danach war meine Sitzungswoche in Berlin beendet und es ging in die Heimat. Hier gab es am Wochenende noch ein Treffen der Kommunalpolitikerinnen aus dem Landkreis Uelzen auf dem ich ein Grußwort halten durfte. Mit gerade einmal 26% ist der Anteil von Frauen in der Kommunalpolitik erschreckend niedrig. Auch vor Ort muss Politik so gestaltet werden, dass Frauen gleichberechtigt daran teilhaben können.

Jetzt bleibt mir nur noch, Ihnen einen schönen Start in die neue Woche zu wünschen.

Foto (oh): Leon Kügeler / photothek