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Landkreis Uelzen

Berlin-Tagebuch unserer FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz (Teil 18): Impulse aus Schweden und das Ende für Paragraph 219a

 |  Landkreis
Hallo Uelzen,
 
hinter mir liegen zwei ereignisreiche Wochen.
 
Zwei Wochen höre ich Sie fragen? Wird denn hier nicht von jeder Sitzungswoche direkt berichtet?
 
Nun, die vorletzte Woche war alles andere als eine übliche Sitzungswoche. Gemeinsam mit einer Delegation des Ausschusses für Arbeit und Soziales habe ich unsere Parlamentskollegen aus Schweden und Norwegen besucht. Ziel der Reise war der Austausch mit den Parlamentariern vor Ort und ein Einblick in den Arbeitsmarkt, die Inklusionsarbeit und das Rentensystem der skandinavischen Demokratien. Dabei habe ich natürlich ebenfalls eine Menge über das dortige System gelernt. In Schweden regiert zum Beispiel im Moment eine Minderheitenregierung und im Parlament sitzt man nicht nach Parteien, sondern nach Regionen geordnet.
 
Aber auch thematisch gab es viele Erkenntnisse für mich, zum Beispiel, dass in Schweden ca. 70% der Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten. Das ist deutlich höher als es hier bei uns in Deutschland der Fall ist. Da ist uns der nördliche Nachbar um einiges voraus. Daneben gab es noch Besuche beim größten Arbeitgeberverband und der größten Gewerkschaft. In Schweden gibt es spannenderweise kein richtiges Arbeitsrecht, denn dort wird fast alles einfach tariflich festgehalten. Auch hier unterscheiden wir uns erheblich.
Bei dem straffen Programm konnte ich es kaum nutzen, dass ich in Norwegen direkt einen wunderschönen Fjord vor der Hoteltür hatte. Vielleicht muss ich noch einmal auf eigene Faust zurückkehren. Lohnen wird es sich bestimmt.  
 
Zurück in Deutschland ging es dann vergangene Woche um wichtige liberale Anliegen. Unter anderem haben wir endlich die BAfög-Reform durch das Parlament gebracht. Neben all den großen Veränderungen, wie ein besserer Zugang zum BAfög, mehr Geld oder einer angehobenen Altersgrenze, sind es manchmal die ganz kleinen Dinge, die das Leben einfach machen können. Denn das BAfög kann nun auch digital beantragt werden. Etwas, das wahrscheinlich Heerscharen von ehemaligen Studierenden viele Stunden Lebenszeit gespart hätte, die sie auf zugigen Fluren in den örtlichen BAfögstellen verbracht haben.
 
Zum Ende der Woche haben wir dann das endgültige aus des §219a StGB beschlossen. Die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche stellt endlich die Selbstbestimmung der Frau in den Vordergrund und ersetzt eine menschenunwürdige Ideologie durch einen menschenwürdigen Realitätsbezug. Im Netz sind längst etliche Möglichkeiten vorhanden sich über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Warum dann nicht auch darüber, wo und durch wen diese durchgeführt werden? Ärzt:innen dürfen nun sachgerechte Informationen über Schwangerschaftsabbrüche geben, ohne sich strafbar zu machen.
 
Frauen in Notsituationen wollen nicht bevormundet werden, sondern sich niedrigschwellig informieren bevor Sie sich Ärzt:innen anvertrauen und über einen Eingriff entscheiden. Das Werbeverbot hat bisher selbst leicht zugängliche, professionelle Informationen auf Internetseiten von Ärzt:innen verboten. Dabei geht es mitnichten um Werbung im eigentlichen Sinne. Frauen, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken, wollen dabei keine Treuepunkte sammeln oder das beste Gratisgeschenk zu ihrem Eingriff finden. Sie brauchen Informationen, um eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.
 
Umso mehr hat mich im Anschluss das Urteil aus den USA schockiert. Dort wurde eine 50 Jahre alte Regelung zum Thema Schwangerschaftsabbrüche einfach zurückgenommen. Das selbst ernannte „land of the free“ ist über Nacht zu einem Ort geworden, an dem Schusswaffen mehr Rechte besitzen als Frauen. Auch das ist eine Spätfolge der Ära Trump, denn es waren vor allem die von ihm eingesetzten Richter am Supreme Court, die diese Entscheidung möglich gemacht haben. Es bleibt den Frauen der USA nur zu wünschen, dass das Rad der Zeit für sie nicht noch weiter zurückgedreht wird.
 
Dabei wurde mir einmal mehr bewusst, wie froh und glücklich wir uns schätzen können, in Deutschland leben zu können. Unsere liberalen Werte zu bewahren sollte uns allen ein Anliegen von Herzen sein.
 
Bis bald Uelzen.