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Landkreis Uelzen

Interview mit Landrat Dr. Heiko Blume: Herausforderungen und Chancen im neuen Jahr

 |  Landkreis

Von Michael Michalzik

Uelzen/Landkreis. 2023 war auch für den Landkreis Uelzen ein besonders herausforderndes Jahr. Und auch das noch junge Jahr 2024 hat mit der Brandkatastrophe im Helios Klinikum und den massiven Protesten der Landwirte bereits gezeigt, dass von „Business as usual“ längst noch keine Rede sein kann. Im großen Jahresinterview spricht Landrat Dr. Heiko Blume über Herausforderungen, aber auch über Geleistetes und neue Chancen.

Herr Dr. Blume, was waren 2023 die größten Herausforderungen für die Kreisverwaltung?

Dr. Blume: Es gab nach den von Corona geprägten Jahren 2020 und 2021 mehrere andere Krisen. Vor allem der russische Krieg gegen die Ukraine zeigte Wirkungen: Energiepreise, Inflation, Flüchtlinge – um nur einige Themen zu nennen. Ansonsten mussten wir ein Stück weit nach der Corona-Krise aufholen. Dabei musste immer wieder priorisiert werden, denn der Arbeitskräftemangel macht auch vor dem Kreishaus nicht halt. Im Grunde befinden wir uns seit 2020 im Krisenmodus. Mein großer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich da hervorragend „durchgebissen“ haben.

Stichwort Finanzen: Der neue BBS-Campus will finanziert werden.

Dr. Blume: Dieser wird ja sukzessive, über mehrere Jahre umgesetzt. Der Campus ist eine wichtige Großinvestition in Bildung. Es ist gut, dass der Neubau kommt, es muss etwas passieren. Am Standort Scharnhorststraße besteht dringender Handlungsbedarf. Es gab Berechnungen, um weiter zwei Standorte zu betreiben. Die jetzige Gesamtlösung ist letztlich die wirtschaftlichste und auch das Beste für Bildung, junge Menschen und Wirtschaft.

Im vorigen Jahr hat der Landkreis Uelzen eine große Kampagne zum Thema „Fachkräftemarketing“ gestartet. Ist der künftige BBS-Campus Teil dieser Strategie?

Dr. Blume: Der Campus ist sicher ein weiterer Baustein zur Fachkräftegewinnung und -bindung. Wir wollen junge Leute halten, die hier eine gute Ausbildung erhalten können. Wir wollen allen zeigen, was viele schon wissen: Hier kann man gut arbeiten und gut leben!

Handel und Wirtschaft im ländlichen Raum erfordert außerdem auch schnelles Internet.

Dr. Blume: Der Landkreis hat sein Großprojekt „Glasfaser-Ausbau 1.0“ erfolgreich abgeschlossen. Mich haben sehr viele positive Rückmeldungen dazu erreicht. Homeoffice ist auch nach Corona ein großes Thema. Eine gute Breitbandversorgung ist auch dafür entscheidend. Wir sind jetzt in der glücklichen Situation, mit „Glasfaser 2.0“ weitermachen zu können, da wir Förderbescheide vom Bund über 60 Prozent sowie auch vom Land haben. Ansonsten würde das finanziell herausfordernd.

Zu einer starken Wirtschaft gehört auch eine starke Verkehrsinfrastruktur. Bei Ausbau der Bahnstrecke Hamburg-Uelzen-Hannover scheint nun Bewegung in die Sache zu kommen.

Dr. Blume: Das Dialogforum Schiene Nord hat sich 2015 für die Variante Alpha E, also den Ausbau der Bestandsstrecke, ausgesprochen. Wir haben 2024. Es ist viel Zeit verloren worden, in der der Bund bzw. die Bahn nichts umgesetzt haben. Ich kann bei uns nach wie vor keine Akzeptanz für eine Neubaustrecke ausmachen. Für uns ist es wichtig, vom Schienenpersonenfernverkehr nicht abgehängt zu werden, weshalb der Landkreis für den Ausbau eintritt. Eine Neubautrasse durch unseren Landkreis wäre für die Menschen wie eine Autobahn ohne Abfahrt – Nachteile, aber keinerlei Vorteile.  

Ist auch der Lückenschluss der A39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg ein Teil der regionalen Verkehrsinfrastruktur?

Dr. Blume: Ja, und ich denke, dass die A39 kommen wird. Ich sehe die Notwendigkeit und eine hohe Akzeptanz für eine Autobahn im Landkreis Uelzen. Der Bund muss auch dort nun sehen, wie er mal in die Umsetzung kommt.

Zu den weiteren Zukunftsaufgaben im Landkreis gehört auch alternative Energiegewinnung. Was kommt da auf uns zu?

Dr. Blume: Die Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogramms als Grundlage für die Schaffung von Vorrangflächen für Windenergie wird eine sehr große Aufgabe. Die Vorgabe lautet: vier Prozent der Landkreisfläche. Es wird nicht einfach, dabei Abstände von einem Kilometer zu den Dörfern zu halten. Und wir werden dafür vermutlich über Windenergieanlagen im Wald reden müssen. Alternative Energiegewinnung wird eine der spannendsten Aufgaben für die kommenden Jahre. Dabei sehe ich durchaus auch Chancen, zum Beispiel für zusätzliche Einnahmen der Gemeinden. Wir haben in der Kreisverwaltung eine entsprechende Stelle geschaffen, die das Thema „green energy“ betreuen soll. Und: Das Klimaschutzkonzept soll dieses Jahr fortgeschrieben werden.

Ein weiteres Thema, das die Menschen im Landkreis auch weiter beschäftigen wird, ist der Umgang mit Wölfen.

Dr. Blume: Es ist gut, dass in Brüssel Bewegung in die Diskussion gekommen ist. Die vom Kreistag im vorigen Jahr beschlossene „Uelzener Erklärung zum Wolf“ ist übrigens in die Stellungnahme der deutschen Landkreise an die Europäische Kommission eingegangen. Der Bund und auch das Land Niedersachsen wollen jedoch an das Thema eines dauerhaften aktiven Managements der Wolfsbestände – wie es vom Kreistag gefordert wird – nach wie vor nicht ran, nicht einmal regional differenziert. Da wünsche ich mir deutlich mehr Bewegung. 

Herr Dr. Blume, der verheerende Brand im Helios Klinikum mit fünf Toten war ein besonders tragischer Jahresauftakt. Dank des großen Einsatzes der Rettungskräfte konnten aber viele Menschen vor den Flammen gerettet werden. Ist das ein weiterer Beweis dafür, dass die ehrenamtlichen Feuerwehren im Landkreis auch Großlagen gewachsen sind, oder ist ein weiterer Ausbau an Personal und Ausrüstung geboten? Steht der Landkreis in Austausch mit dem Klinikum, das nach den Debatten um die Pflicht zur Erfüllung des Versorgungsauftrags im vorigen Jahr nun einen weiteren massiven Schlag wegstecken muss?

Dr. Blume: Zunächst einmal danke ich allen, die in der Nacht vom 4. auf den 5. Januar geholfen haben! Der Einsatz wird von den Beteiligten im Nachgang intensiv nachbereitet werden. Das ist gerade bei Einsätzen dieses Ausmaßes gute Übung. Bis jetzt haben mich keinerlei Hinweise erreicht, dass die Feuerwehren sächlich oder personell nachsteuern müssten, auch nicht die hier federführend agierende Uelzener Wehr. Mit dem Klinikum steht der Landkreis im engen Austausch, schon wegen der Frage des Rettungsdienstes. Das Klinikum arbeitet nach eigenen Angaben intensiv daran, schnellstmöglich wieder voll handlungsfähig zu sein.

Die Abschaffung der Begünstigung der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft scheint vom Tisch. Doch die Steuerbegünstigung für Agrardiesel soll stufenweise abgeschafft werden. Auch im Landkreis Uelzen wehren sich die Landwirte deshalb mit massiven Protestaktionen gegen die Pläne der Bundesregierung. Sind die Aktionen der Landwirte nachvollziehbar? Ist die Art des Protests, mit dem wichtige Verkehrsverbindungen stundenlang blockiert werden, angemessen?

Dr. Blume: Ich kann verstehen, dass Landwirtinnen und Landwirte gegen solche Einschnitte demonstrieren. Das ist ja nur ein Punkt unter vielen weiteren belastenden. In den vergangenen Jahren wurden die Regeln, nach denen sie wirtschaften, nicht nur immer umfangreicher, sondern auch immer kurzlebiger. Auch die Bauern wollen Planungssicherheit, die eine Perspektive für Investitionen und die kommende Generation aufzeigt. Im Landkreis Uelzen war der Protest am 8. Januar deutlich sichtbar, aber in seinen Auswirkungen weniger einschneidend als in anderen Regionen Deutschlands. Insbesondere war der Rettungsdienst jederzeit gewährleistet. Dafür möchte ich allen danken.

Foto: Landkreis Uelzen