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Gesundheit

Wie sich die kleinsten Patienten ins Leben kämpfen

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Uelzen. Eines von zehn Kindern in Deutschland ist eine Frühgeburt. Der Welt-Frühgeborenen-Tag am 17. November macht deshalb auf die Belange von Frühgeborenen und ihren Familien aufmerksam. Dr. Swen Geerken, Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Uelzen, erläutert, mit welchen Herausforderungen „Frühchen“ und ihre Eltern zu kämpfen haben.

Als frühgeboren gelten Babys, die vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen. Deutschlandweit sind das rund 65.000 bis 70.000 Geburten jährlich. „Je früher die Kinder zur Welt kommen, umso unreifer sind sie“, sagt Dr. Swen Geerken. „Das betrifft zum Beispiel die inneren Organe, den Stoffwechsel, insbesondere das Gehirn und auch das Immunsystem.“ Die Anpassung nach der Geburt ist eine große Herausforderung für den unreifen Körper und die Organreifung muss dann außerhalb des Körpers der Mutter stattfinden.

Auf der Neonatologie (Früh- und Neugeborenenmedizin) liegen viele dieser Frühgeborenen im Brutkasten/Inkubator, um sie bei der Regulation des so wichtigen Wärme- und Energiehaushaltes zu unterstützen. Mit modernster Technik werden die Vitalparameter wie Herz- und Atemfrequenz, der Blutdruck und die Sauerstoffwerte überwacht. Die Monitore piepen beständig in den sonst ruhigen und warmen Räumen. Dr. Swen Geerken: „Es geht vor allem darum, neben der medizinischen Versorgung mit adäquatem Nahrungsaufbau eine Infektion oder Auskühlung zu vermeiden.“ Das alles geschieht ganz langsam, um die empfindliche Wahrnehmung der Babys nicht zu stören.

Eltern haben oft die Möglichkeit, in sogenannten Rooming-In-Zimmern ganz nah bei ihren Kindern zu sein. „Dies ist enorm wichtig, da die Interaktion zwischen der Mutter bzw. den Eltern und dem Kind bereits während der Schwangerschaft beginnt und auch jetzt für die optimale Entwicklung fortbestehen sollte“, erläutert der Chefarzt. „Dazu kommen die Kleinen zwei bis drei Stunden am Tag auf die Brust von Mama oder Papa.“ Die Nähe sorgt laut Studien für einen gleichmäßigeren Herzschlag und eine stabilere Atmung bei den Kindern. Den Eltern wird durch dieses „Bonding“ der Aufbau einer innigen körperlichen und emotionalen Vertrautheit mit ihrem Kind ermöglicht. Auch mitschwingende Ängste werden so gut aufgefangen.

Neonatologien sind in Deutschland in verschiedene Level unterteilt, die sogenannten Perinatalzentren Level 1, 2 und 3 (perinataler Schwerpunkt). In einem Level-1-Zentrum können Frühgeborene ab einem Gewicht von 500 Gramm versorgt werden. Im Helios Klinikum Uelzen, das über einen perinatalen Schwerpunkt verfügt, versorgen Kinderärzte und Pflegekräfte regelhaft Frühgeborene ab einem Gewicht von ca. 1.500 Gramm, die nach Vollendung der 32. Schwangerschaftswoche (32+0) geboren werden. Geburtskliniken ohne Neonatologie betreuen ausschließlich Schwangere ohne Risikofaktoren. „Das ist zum Glück weiterhin der Großteil aller Schwangerschaften“, sagt Dr. Geerken.

Ab der 24. Schwangerschaftswoche gilt ein Säugling als überlebensfähig. Nach Erfahrung von Neonatologen ist es jedoch ein weiter Weg, bis die Kinder nach Hause entlassen werden können. „Man muss ehrlichweise sagen, dass die Chancen bei Babys, die in der 24. Schwangerschaftswoche oder noch früher zur Welt kommen, eher bei 50 Prozent und weniger liegen. Allerdings steigen sowohl die Überlebens- als auch die Normalentwicklungschancen danach rapide an. Jede Woche, die das Baby länger im Mutterleib heranreift, zählt“, erklärt Dr. Swen Geerken. Entscheidend für die bestmögliche Entwicklung ist eine optimale Zusammenarbeit zwischen Pflege- und Ärzteteam unter Einbeziehung der Eltern.

„Wenn es am Ende gut ausgeht, sind alle Beteiligten sehr erleichtert. Ich habe noch nirgends eine so enge Verbindung zwischen Patientenfamilien und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Station erlebt wie auf einer Neonatologie“, weiß der erfahrene Chefarzt. In vielen Fällen bestünde noch Jahre später Kontakt und ein regelmäßiger Austausch über die Entwicklung der Kinder.

Foto (Helios Klinikum): Dr. Swen Geerken ist Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Uelzen.