Jahresrückblick, Teil vier: Corona-Einschränkungen, Mühlen-Elend und harte Politik-Bandagen
Uelzen/Landkreis. In Berlin war man sich im November einig wie selten: Der Koalitionsvertrag wurde unterschrieben, die neue Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz nahm ihre Arbeit auf. Und auch wenn das Bundesverkehrsministerium überraschenderweise an die FDP und nicht an die Grünen ging: Zum ersten Mal seit 16 Jahren sind Bündnis 90/Die Grünen direkt an der Regierung beteiligt. Dass die Partei Autobahnen sehr kritisch betrachtet, ist bekannt. Und das dürfte den Bau der A39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg so weit ins Abseits bringen wie nie zuvor. „Ein wirklicher Bedarf für die A39 ist nicht erkennbar“, fasst etwa der Grüne Bundestagsabgeordnete Frank Bsirske zusammen. Der Bundesverkehrswegeplan wird komplett auf den Prüfstand gestellt. Derzeit sieht es so aus, dass Uelzen ohne Autobahn bleiben wird.
Im November konstituierten sich kreisweit nach den Kommunalwahlen im September (siehe Jahresrückblick Teil 3) die Räte. Im Kreistag war schon nach wenigen Minuten klar – besser wird die Stimmung auch in den kommenden vier Jahren nicht. CDU, UWG und FDP haben eine Gruppe gebildet und sind die stärkste Kraft mit 22 Delegierten. Grüne und Linke sind ebenfalls eine Gruppe mit 8 Vertretern. Die SPD kommt auf 10 Sitze. Mit der „AfD“ redet ohnehin niemand, da besteht offenbar Konsens. Ansonsten zeigte sich schon bei den Regularien während der konstituierenden Sitzung – die Großen stehen sich unbeweglich gegenüber.
Auch im schönen Bad Bevensen weht jetzt politisch ein anderer Wind. Das bekam Stadtdirektor Martin Feller jüngst zu spüren, als der im Sommer vom alten Stadtrat klar beschlossene Kauf der alten Medinger Wassermühle mit einer neuen Mehrheit von CDU, SPD und FDP gekippt wurde – zum Teil von den gleichen Delegierten, die erst zugestimmt hatten. Über die Beweggründe gab es nur vage Andeutungen in Richtung „nicht abzusehende Folgekosten“. Offen erkennbar: Hier sollte ein Stadtdirektor abgestraft werden, der vermeintlich zu eigensinnig handelt. Ebenfalls etwas ärgerlich: Die Wassermühle samt dortigem Ilmenau-Verlauf war elementarer Bestandteil der Bewerbung der Kurstadt für die Landesgartenschau 2026. Dass die Jury in Hannover eine Bewerbung durchlässt, die so erheblich verändert wurde, ist illusorisch. Geschätzte 500.000 Besucher weniger…
November und Dezember waren gezeichnet durch eine Reihe schrecklicher Verkehrsunfälle: Anfang des Monats verunglückte eine junge Frau auf dem Uhlenring bei einem Frontalzusammenstoß. Die 34-Jährige starb, ihr Baby überlebte unverletzt in den Trümmern des völlig zerstörten Kleinwagens. Bei Velgen rammte ein Transporter einen Baum. Der tödlich verunglückte Fahrer konnte erst Tage später identifiziert werden. Bei Molzen übersah ein 22 Jahre alter A6-Fahrer beim Überholen den Wagen einer 74-Jährigen. Die Seniorin wurde beim Frontalaufprall getötet.
Die Auftragsbücher im Handwerk sind voll. Außerdem wächst der Preisdruck durch steigende Materialkosten. Das bekommt auch die Hansestadt Uelzen zu spüren: Das neue Parkdeck am Bahnhof soll als Clou ein ganz besonderes Dach bekommen, das aus Solarpaneelen besteht. Damit soll ein Teil des Stroms für E-Fahrzeuge bereitgestellt werden, die dort geladen werden. Schön gedacht. Nur: Monatelang fand sich nicht ein einziger Betrieb, der bereit war, die Installation zu übernehmen, erklärte die Verwaltung im Dezember. Mehrfach musste neu ausgeschrieben werden. Als sich endlich ein Unternehmen bereit erklärte, konnte es direkt Bedingungen diktieren: Verzögert sich der Parkhausbau oder kommt nicht zustande, darf die Solaranlage auf einer freien Fläche im Stadtgebiet aufgebaut werden. Beim Theater an der Ilmenau sieht es nicht wesentlich besser aus: Nicht nur, dass die vorgesehene schicke Holzfassade 600.000 Euro teurer wird als geplant – auch hier musste der Auftrag drei Mal ausgeschrieben werden, um überhaupt jemanden zu finden, der den Job machen will. Mit Eröffnung im Februar ist es auch Essig: Der Start des Theaterbetriebs ist erst einmal verschoben. Ohne neuen Termin.
Corona machte dem öffentlichen Leben in Uelzen auch zum Jahresende wieder erheblich zu schaffen. Die Uelzener Kreisverwaltung reagierte nach der von der Landesregierung befohlenen Schließung der landesweiten Impfzentren im Herbst in Eigenregie: Seit Anfang Dezember gibt es wieder ein Impfzentrum – in der Celler Straße 3 in Uelzen, einem früheren Netto. Kreisweite Inzidenzzahlen von weit über 170 führten dazu, dass das Badue ab Heiligabend seine Pforten schließen musste. Die Stadtbusse fahren derzeit im Notbetrieb. Die Woltersburger Mühle hat Café und Seminarbetrieb eingestellt. Bad Bevensen strich seinen Weihnachtsmarkt komplett. Und auch das Finale des Uelzener Weihnachtszaubers wurde vorsichtshalber abgesagt. Stattdessen formierten sich bereits zwei Mal in der Uhlenstadt nicht genehmigte, als „Spaziergänge“ kaschierte Kundgebungen von Corona-Gegnern. Dafür gab es in sozialen Medien begeisterten Beifall einer rechtsgerichteten, vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppe. Ob sich die „Spaziergänger“ alle darüber im Klaren sind, mit wem sie sich da gemein machen?
Kurzer Vorausblick zum Ende des Rückblicks: Es kann mit erheblich verringertem Raketenregen und einer vergleichsweise ruhigen Silvesternacht gerechnet werden. Das bundesweite Böller-Verkaufsverbot hat trotz Gegenklage des Fachverbands gehalten. Für Uelzen und Bad Bevensen gibt es erhebliche Feuerwerksverbots-Zonen. Öffentliches Feuerwerk ist ebenso verboten wie Versammlungen von mehr als zehn Personen.
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Foto (Michalzik): Gleich zum Auftakt der konstituierenden Kreistagssitzung war klar: Die Stimmung wird hier die kommenden vier Jahre nicht besser.