Lücken und ihre Tücken – Gastbeitrag von Anja Schulz, FDP-Kreisvorsitzende, zu den Auswirkungen von Verkehrspolitik in der Region
Uelzen/Landkreis. Es gibt in Deutschland Bauprojekte, die schneller abgeschlossen werden, als man „Planfeststellungsverfahren“ sagen kann. Allerdings nur selten. Daneben gibt es auch die Bahnstrecke Hamburg–Hannover. Die ersten Überlegungen zum Aus- oder Neubau stammen aus dem Jahr 1962, also aus einer Zeit, in der die Beatles noch als Nachwuchsband galten und an Smartphones niemand auch nur dachte. 63 Jahre später diskutieren wir immer noch.
Dagegen wirkt die Debatte über den Lückenschluss der A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg fast jugendlich-frisch, ein regelrechter „Mitzwanziger“, geboren 2002, mit Träumen, Zielen aber leider ohne eigenen Führerschein. Beiden Projekten ist eines gemein: Sie würden Verkehr entlasten, Wirtschaft beleben und die Region endlich auf die Landkarte moderner Infrastruktur setzen. Doch während sich auf der Bahnstrecke Hamburg–Hannover, einer der meistbefahrenen Europas, die Züge schon heute gegenseitig auf die Puffer schauen, plant man weiter mit dem Tempo einer gemütlichen Dampflok.
Laut Prognosen der Deutschen Bahn soll sich die Zugzahl bis 2030 nahezu verdoppeln. Klingt nach Zukunft, allerdings nur, wenn das Gleis dafür auch existiert. Wer zusätzlich einen Blick auf die Autobahnkarte Deutschlands wirft, entdeckt schnell ein erstaunliches Phänomen: Zwischen A 7, A 24, A 10 und A 2 liegt ein verkehrspolitisches Bermuda-Dreieck namens Region Uelzen. Das ist ein Ort, an dem Straßen enden, bevor sie überhaupt beginnen, und Navi-Geräte schon beim Wort „Anschlussstelle“ seufzen. Während rundherum die Autobahnen überlastet sind, glänzt die Mitte durch Abwesenheit.
Dabei geht es bei beiden Projekten nicht um Prestigeprojekte, sondern um Zukunftsfähigkeit. Der Ausbau der Bahnstrecke unter dem schönen Namen Alpha-Ebekannt, würde den Großraum zwischen Hamburg und Hannover auf der Schiene besser anbinden. Die A 39 schafft das Gleiche auf der Straße. Und beides zusammen sorgt für Entlastung, ob im Güter-, Wirtschafts- oder Privatverkehr. Gerade für den sogenannten Seehafenhinterlandverkehr ist das entscheidend. Denn es geht um den Transport von Exportgütern zu den Häfen und Importen ins Land und die Regionen. Ohne funktionierende Verbindungen bleibt hier vieles wortwörtlich auf der Strecke.
Natürlich könnten wir weiter darüber diskutieren, ob man lieber ein drittes oder viertes Gleis braucht, oder ob wir gleich alles neu bauen. Wir könnten die Debatte so lange führen, bis die heutigen Berufspendler in Rente sind und ihre Enkel am Bahnhof ein Museum über die „geplante Strecke“ besuchen. Dadurch wird nur kein Arbeitsplatz geschaffen. Denn keine Firma investiert, weil wir uns über Planvarianten streiten.
Deshalb ist es höchste Zeit, dass die Politik endlich einlenkt. Wir brauchen kein weiteres Jahrzehnt der Planungsprosa, sondern entschlossene Umsetzung. Wenn wir die 500 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen nutzen,dann bitte nicht für neue Schlaglöcher in alten Papieren, sondern für die modernste Infrastruktur im Land.
Friedrich Merz hat noch vor Amtsantritt sein erstes Wahlversprechen, die Einhaltung der Schuldenbremse, kassiert. Ein Fehler, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. festgestellt hat. Und wie für nahezu jeden Bürger vorher zu erwarten war. Jeder zweite Euro dieses Sondervermögens wird nämlich zweckentfremdet und fließt nicht in Infrastruktur oder Zukunftsprojekte, sondern in laufende Ausgaben oder politische Schönwetterprogramme.
Mit anderen Worten: Wir investieren lieber in den Status quo als in die Zukunft. Das können wir uns schlicht nicht mehr leisten weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich. Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und investieren wollen, brauchen vor allem eines: eine klare Perspektive.
Die Schließung von Lücken sollte im Mittelpunkt stehen, nicht ihre Tücken.
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