
Natendorf. Der Gnadenhof bei Natendorf ist ein Ort für Tiere, an dem sie sein können, wer sie sind, ohne einen Nutzen zu bringen oder ihre Daseinsberechtigung anderweitig zu verdienen. Gegründet wurde der Verein für misshandelte Tiere e.V. vor 17 Jahren von Sabine Bracker, die sich auch davor schon jahrelang für Tiere eingesetzt hat. Eine Lebensaufgabe, die sie beinahe rund um die Uhr beschäftigt – und manchmal auch an ihre Grenzen bringt.
Von unserer Redaktion
Wenn Sabine Bracker frühmorgens über das Gelände ihres Gnadenhofs stapft, begleitet vom ungeduldigen Gebell der Hunde, vom Schnauben der Pferde und dem Quieken ihrer Minischweine und Hängebauchschweine, beginnt für sie nicht einfach ein Arbeitstag. Es beginnt ein neuer Kampf gegen das Vergessen, gegen bürokratische Mühlen und für ihre Tiere. In fast allen Fällen sind es Tiere, die einiges hinter sich haben und in vernachlässigtem, mitunter lebensbedrohlichem Zustand zu ihr kommen. Viele sind unzureichend gepflegt und gefüttert worden, manche sogar misshandelt. Der Gnadenhof ist kein Tierheim zur Weitervermittlung. Wer hier ankommt, darf bleiben.
Der Hof liegt hinter Natendorf, idyllisch zwischen Wiesen, Wäldern und Feldern. Doch was auf den ersten Blick friedlich wirkt, birgt oft dramatische Geschichten. Zu der emotionalen Belastung, die jede einzelne dieser Geschichten mit sich bringt, kommt der alltägliche Kampf um die Existenz des Vereins, denn er ist komplett auf Spenden angewiesen und die sind seit Corona enorm zurückgegangen. Doch schauen wir erst einmal zurück zum Anfang.
Ein Bauernkind macht sich Tierrettung zur Lebensaufgabe
Sabine Bracker ist auf einem Bauernhof groß geworden, Tiere gehörten von klein auf zu ihrem Alltag. Geprägt hat sie die bodenständige, naturverbundene Lebenseinstellung der Eltern durchaus, doch statt selbst in die Landwirtschaft zu gehen, entschied sie sich für einen anderen Weg. „Mir war es schon immer wichtig, mich für andere einzusetzen. Tieren zu helfen, sie wieder aufzupäppeln, wenn es ihnen schlecht geht – das verstand ich schon als Kind als meine wichtigste Aufgabe”, erinnert sie sich. Was als Kind auf dem Bauernhof begann, ist heute ihr Lebenswerk. Seit 17 Jahren führt sie den Verein – ohne Urlaub, ohne jemals auszuschlafen, rund um die Uhr im Einsatz. „Im Prinzip arbeite ich im Drei-Schicht-System, sieben Tage die Woche.“
Ein zweites Leben für hundert Tiere
Etwa 100 Tiere leben derzeit auf dem Hof, circa zwei Drittel davon Großtiere wie Schafe, Ziegen, Schweine, Pferde und Kühe und ein Drittel Kleintiere wie Katzen, Hunde und Vögel. Manche bleiben nur Wochen, viele jedoch für immer. Es geht nicht darum, die Tiere weiterzuvermitteln, erst recht nicht gewinnbringend. Vielmehr steht im Mittelpunkt, allen Gnadenhof-Bewohnern ein möglichst schönes Leben zu ermöglichen.
Jüngster Neuzugang ist ein Waschbärbaby, das jemand anonym in der Postbox ablegte. Damit sie den Kleinen überhaupt bei sich aufnehmen darf, muss schnell ein Gehege gebaut werden. Auch das muss aus Eigenmitteln bezahlt werden. Freiwillige Unterstützer helfen beim Bau.
Grundsätzlich versucht Sabine Bracker stets eine Lösung zu finden, um Tiere in Not aufzunehmen, aber nicht immer liegt das Schicksal der Tiere in ihrer Hand. In der Regel entscheidet das Veterinäramt, wohin die Tiere kommen, die bei ihren bisherigen Besitzern nicht bleiben können. Nicht selten fällt die Entscheidung auf Händler, die die Tiere ein paar Wochen lang auf Amtskosten aufpäppeln, um sie dann weiterzuverkaufen. „Gerade bei Großtieren ist es leider oft so, dass die Tiere nicht in ein schönes neues Zuhause kommen”, sagt sie.
Natürlich gibt es auch Grenzen, was ihre Kapazitäten angeht. Der Platz auf dem Hof ist endlich, vor allem aber die Arbeitskraft fehlt. „Leute zu finden, die mit vollem Herzen dabei sind, keine Scheu vor körperlicher Arbeit und auch kein Problem damit haben, sich mal die Hände schmutzig zu machen, ist sehr schwer”, berichtet Bracker.
Wenn der Wolf kommt
Nicht alle Geschichten auf dem Gnadenhof enden gut. Erst vor wenigen Tagen kam es zu einem mutmaßlichen Wolfsangriff: Mehrere Schafe, die sie selbst mit der Flasche aufgezogen hat, wurden gerissen, eines überlebte schwer verletzt und wird derzeit tierärztlich behandelt. Bracker äußerte sich öffentlich zur Problematik und erntete daraufhin Anfeindungen. „Ich habe lediglich gesagt, dass es schwierig ist, mit einer zu großen Wolfspopulation in so dicht besiedelten Gegenden zusammenzuleben. Das ist nun mal die Realität. Ich lade jeden, der sich über so eine Aussage aufregt, herzlich ein, mich ein paar Tage bei meiner Arbeit zu begleiten”, sagt sie – sichtlich verletzt, dass es ausgerechnet selbsternannte Tierfreunde sind, die sie nun angreifen. „Ganz ehrlich? Da fragt man sich schon, warum man sich das alles noch antut.“
Unterstützung dringend gesucht
Unterstützt wird Bracker von einer Vollzeitmitarbeiterin und zwei Mini-Jobbern – viel zu wenig angesichts der vielen Tiere. Entsprechend dringend sucht sie Verstärkung: „Ob Teilzeit oder Vollzeit, sehr gerne Quereinsteiger – Hauptsache mit dem Herzen dabei.“
Finanziert wird der Gnadenhof ausschließlich durch Spenden. Doch seit Corona sei die Spendenbereitschaft spürbar zurückgegangen. „Viele Menschen gehen auf Nummer sicher, denken nicht mehr so sehr an andere. So wirkt es zumindest.“ Derzeit belaufen sich die monatlichen Fixkosten allein für die Versorgung der Tiere auf circa 20.000 Euro. Ohne private Spenden und größere Sponsoren sei dies nicht zu stemmen.
Trotz aller Belastungen bleibt Sabine Bracker unbeirrbar. „Mein Ziel ist es, den Tieren ein schönes Leben zu ermöglichen. Wenn mir das gelingt, ist es all die Arbeit wert”, erklärt sie und fügt hinzu: „Ich möchte Spuren auf der Welt hinterlassen. Positive Spuren.“
Kontakt & Unterstützung
Gnadenhof Niedersachsen
Fuchsberg 1, 29587 Natendorf
Web: www.gnadenhof-niedersachsen.de
E-Mail:
Spendenkonto:
IBAN: DE57 2709 2555 5018 7970 00
BIC: GENODEF1WFV
Volksbank Wolfenbüttel-Salzgitter
Aktuell wird dringend Unterstützung gesucht – in Form von Spenden, Patenschaften oder personeller Hilfe in der Tierpflege. Wer sich für einen Job auf dem Gnadenhof interessiert, darf sich gern über die oben genannte E-Mail-Adresse bei Sabine Bracker melden!
Fotos: Uelzener Versicherungen